Undatierter Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich vermutlich vom 25. Oktober 1929

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Der editierte Text

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Liebste süßeHannah (Details anzeigen)!1

Gestern habe ich nicht geschrieben, weil es keinen Zweck hatte, die Karte in Stettin (Details anzeigen) wegzustecken. Sie wäre doch nicht früher angekommen. Nun bin ich auf dem Rückweg und kann ausführlicher schreiben. Zunächst noch einmal Becker (Details anzeigen): Wir unterhielten uns rein freundschaftlich über alles Mögliche. Er war sehr dankbar, daß wir uns Wolfgangs (Details anzeigen) annehmen, fand es besonders nett, daß wir ihn mitgenommen haben, ließ sich über den Stand seiner Doktorarbeit erzählen. – Über Ulich (Details anzeigen) sagte er, es spräche für ihn, daß Elsa (Details anzeigen) ihn genommen habe.2 Schafft (Details anzeigen) will er gern zum Professor an einer pädagogischen Akademie machen.3 Heidegger (Details anzeigen) scheint auch er für hoffnungslos zu halten.4 (siehe hierzu auch den Brief (Details anzeigen) Paul Tillichs an Hannah Tillich vom 9. Mai 1929). Die Berufung kam letztendlich nicht zustande, der bis dahin als Privatdozent in Frankfurt wirkende Max Horkheimer (Details anzeigen) erhielt schließlich im Jahr 1930 das in Frage stehende Ordinariat.Erich Seeberg (Details anzeigen) will mich zum Nachfolger von Titius (Details anzeigen) und will daß ich die Dogmatik schreibe. Die Ethik hat er mir für die nächsten 3 Jahre abgenommen.5 Wolfers (Details anzeigen) steht mir innerlich doch nahe. Wenn ich nur da wäre! – – Gestern ging ich nach langem Schlafen und Kofferpacken zu Vaterchen. Er fragte, ob Du Dich sehr kritisch über ihn geäußert hättest – was ich natürlich verneinte. Er sagte dann Du wärst so rührend wie nur möglich zu ihm gewesen. Um 3| Abfahrt nach Stettin (Details anzeigen). Erkältet mit Husten, darum nur fähig, die „Frauen und Mönche (Details anzeigen)“ zu lesen. Am Bahnhof Frau Griebel (Details anzeigen) mit schönem Auto. Um 6 in Polchow (Details anzeigen) . Die Frauenvereine wollten mich empfangen (leider nicht mit Ehrenjungfrauen). Sie hat mich davor gerettet. Abendbrot mit ihr und zwei jungen Mädchen, die in der Wirtschaft sind. Dann Fahrt zum Museum. Vorstellungen (Einige 20 Frauenvereine). Dann Vortrag 1 ¾ Stunde. Ich war so etwas fiebrig und darum kolossal auf der Höhe und habe meinen guten Ruf in Stettin (Details anzeigen) wiederhergestellt (der durch zu schwere Vorträge futsch war). {¿¿¿ … ¿¿¿}. Zurück nach Polchow (Details anzeigen). Dort Abendessen zu etwa 10 Leuten. Neben mir die Frau (Details anzeigen) des Stettiner Riezler (Details anzeigen). Er selbst war verreist. Abends noch einen Mondscheingang durch den Garten. Dann herrliches Bett und Schlaf bis 9. Wagenfahrt mit dem der Frauen durch die Wälder, Mittagessen und Rückfahrt. Fühle mich noch etwas krank und konnte wieder nur die Mönche (Details anzeigen) lesen. – Ich komme falls ich nichts anderes telegraphiere Montag Abend. Ich möchte noch Sonntag Nachmittag in den „Weltbühnentee“6 und Abend in ein Theater. Die Sitzungen und Vorträge haben fast den ganzen Aufenthalt innerlich und äußerlich gefressen.| Ich hoffe, Du bist nicht zu traurig, daß ich Sonntag noch nicht komme. Aber ich möchte hier noch einmal aufatmen. Liebe süße Hannah! Ich sehne mich nach Dir und Deiner Liebe, zu der immer neue Wellen hinbranden.

Ich küsse Dich heiß!
Dein

Paul (Details anzeigen)


Fußnoten, Anmerkungen

1Das wahrscheinliche Datum des Briefes ergibt sich aus dem Abgleich des vorliegenden Schreibens mit den Postkarten Paul Tillichs an Hannah Tillich aus der zweiten Oktoberhälfte des Jahres 1929.
2Robert Ulich (Details anzeigen) und Elsa Brändström (Details anzeigen) heirateten im November 1929, nachdem Ulichs erste Ehe mit Else Ulich-Beil (Details anzeigen) nur wenige Monate zuvor geschieden worden war.
3Hermann Schafft (Details anzeigen) wurde im Jahr 1930 Professor an der Pädagogischen Akademie Kassel (Details anzeigen).
4Hintergrund dieser Bemerkung sind die zeitweiligen Bemühungen Carl Heinrich Beckers (Details anzeigen) und Kurt Riezlers (Details anzeigen) bzw. der Frankfurter Universität im Jahr 1929, Martin Heidegger (Details anzeigen) auf einen vakanten Frankfurter philosophischen Lehrstuhl zu berufen
5Siehe auch den Brief (Details anzeigen) Paul Tillichs an Hannah Tillich vom 2. Januar 1929 sowie der Brief (Details anzeigen) Paul Tillichs an Erich Seeberg vom 6. Oktober 1929.
6Edith Jacobsohn (Details anzeigen), die seit dem Tod ihres Mannes Siegfried Jacobsohn (Details anzeigen) den Weltbühne-Verlag leitete, lud regelmäßig zu Tee-Nachmittagen.

Register

aTillich, Hannah
cBecker, Carl Heinrich
dWolfgang
eUlich, Robert
fBrändström, Elsa
gUlich, Robert
hBrändström, Elsa
iUlich-Bei, Else
jSchafft, Hermann
kSchafft, Hermann
lKassel
mHeidegger, Martin
nBecker, Carl Heinrich
oRiezler, Kurt
pHeidegger, Martin
qBrief von Paul Tillich an Hannah Tillich vom 9. Mai 1929
rHorkheimer, Max
sSeeberg, Erich
tTitius, Arthur
uBrief von Paul Tillich an Hannah Tillich vom 2. Januar 1929
vBrief von Paul Tillich an Erich Seeberg vom 6. Oktober 1929
wWolfers, Arnold
yKallinikow, Frauen und Mönche, 1928
zFrau Griebel
aaPolchow
acPolchow
adRiezler, Edith
afKallinikow, Frauen und Mönche, 1928
agJacobsohn, Edith
ahJacobsohn, Siegfried
aiTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Hannah. Papers, 1896-1976, bMS 721/3(1)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Berlin> - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Postkarte von Paul Tillich an Hannah Tillich vom 24. Oktober 1929 [PS]
nächster Brief in der Korrespondenz
Postkarte von Paul Tillich an Hannah Tillich vom 26. Oktober 1929 [PS]

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Briefe

Zitiervorschlag

Undatierter Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich vermutlich vom 25. Oktober 1929, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L01514.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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