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Liebste Hannah!1]

Die Tage sind voll von früh bis spät. Dienstag Abend nach dem logischen Kolloquium2], also um 1/2 11 fuhr ich mit Riezler in seinem Auto ins Kaffee, wo Ilse und – Käthe auf uns warteten. Käthe war hier, um ein Auto zu kaufen und in ihm nach Dresden zurückzufahren. Wir waren noch eine Stunde zusammen. Dann kam ihr Auto-Mann und ich fuhr nach Haus. Am Mittwoch Vormittag wie immer von 1/2 10 an im Seminar. Vielerlei Sachen, darunter eine lange Besprechung mit Riezler über die Nachfolge.3] Becker war Montag inkognito hier gewesen und hat Heidegger für möglich erklärt. Ich habe Riezler meine Bedenken gesagt.4] Er denkt als Philosoph ebenso wie ich, als Kurator muß er natürlich für ihn sein – denn wir wären dann mit einem Schlage die erste philosophische Fakultät in Deutschland. Nach Tisch traf ich mich mit dem Bruder von Riezler, dem Stettiner Museums-Direktor im Kaffee: Sehr nett! Ich interessierte ihn für Heinrichs Arbeiten. Von 1/2 5-6 Besprechungen mit einem amerikanischen Professor, unserm besten Privatdozenten5] über Kant- und Schopenhauer-Gesellschaft. Um 6 mein erstes Seminar, 40-50 Leute, lebhafte Debatte. Nachher zu Reinhardts zum Abendbrot. Dort Prof. | Schulz und Frau, die unter uns wohnen. Er klug und politisch, Frauen-Liebhaber und Gemsen-Jäger, sie eine sehr temperamentvolle Malerin aus Oberbayern. Ich glaube, wir werden uns gut mit ihnen vertragen. Später kamen noch Riezlers und Gelbs. Ich hatte lange Gespräche mit Frau Riezler, die Tochter von Liebermann. Heut (Himmelfahrt) von 9-5 Autofahrt in den Odenwald mit Oppenheims. Dazu ein Privatdozent und 2 andere Damen. Die eine die Frau (vor 8 Tagen geschieden) von Weyl und damit die Schwägerin von Anita Gonzala (vor 1/2 Jahr geschieden), die du von Wolfers her kennst, mit der Scheler in Italien war. Wir sprachen lange über Doris Wolfers, die sie ähnlich empfindet wie du. Das Land war herrlich. Schönste Blüte. – Ich war auf der ganzen Fahrt sehr unruhig, weit seit Montag ohne Nachricht. Bei der Rückkehr deine Karte6] aus Marburg. Tausend Dank! Käthe sagte mir, daß Ihr erst Dienstag gefahren seid. Wie war alles? – Das Parkett würde 220-250M kosten. Selbstverständlich abgelehnt. – Geh' doch auf alle Fälle zu Siegfried, Hermelink und Hölscher. Sonst wie du willst! Bitte schreib doch noch mal Eure Telephon-Nummer! – Die hiesige Rechnung habe ich auf die Bank nach Dresden geschickt. Hoffentlich war noch Geld da! Schreib wieder! Grüße alle!

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    • Sturm, Erdmann, Historische Einleitung zu Tillich, Paul, Vorlesungen über Geschichtsphilosophie und Sozialpädagogik (Frankfurt 1929/30), in: Paul Tillich, Vorlesungen über Geschichtsphilosophie und Sozialpädagogik (Frankfurt 1929/30) (Ergänzungs- und Nachlaßbände zu den Gesammelten Werken, Bd. XV), Berlin/New York 2007, XXIII-LIX.