Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich verm. aus der zweiten Aprilwoche 1933

Zum TEI/XML DokumentAls PDF herunterladen

Der editierte Text

|
Liebste a!1

Um 4 holte ich b und c ab. Sie hatten sich schon im Zuge getroffen. Dann um ½ 7 fing die Sitzung an und dauerte bis 12. Dazwischen Abendbrot an reizend gedecktem Tisch. d erwies sich als reizende Wirtin. e gab ihr Zimmer her. Erst wurde die Lage der 'Kant-Gesellschaft'2 besprochen, dann die allgemeine Lage. Es erwies sich die merkwürdige Dialektik, daß auf der einen Seite stehen Humanismus und Reaktion, auf der anderen Sozialismus und Barbarei, entsprechend den beiden Gruppen, die gesiegt haben. Wofür sollen wir uns innerlich und in gewissen Grenzen auch äußerlich entscheiden? Im ersten Fall Rechtsstaat auf autoritärer |:und kapitalistischer:| Grundlage, im andern Fall ein sich selbst verschlingender Abgrund, dessen Ende wahrscheinlich Bolschewisierung ist. Dabei die schwere außenpolitische Drohung.

Die f geht weiter. Sie hat als zur Zeit einziges Blatt der ganzen Bewegung eine große Chance. Immerhin muß jeden Augenblick mit Verbot gerechnet werden.

Austritt aus der 'Kantgesellschaft' wurde von g Und h| scharf abgelehnt, von i, j, k etc. ebenso energisch verlangt. Auch hier müssen wir beide, Du und ich, ganz von uns aus entscheiden. – Dagegen war man der Meinung, daß ein Antrag auf Beurlaubung sehr nützlich sein könnte, da bei einem Klamauk keine Lorbeeren zu ernten sein [sic!] und für später im Falle einer Beruhigung ein Negativum. Da l heut kommt, werde ich mit ihm den besten Weg suchen. Schade ist, daß der m nicht geschrieben hat. Damit hätte ich leichter ins Ministerium gehen können. Ich werde es aber auch so tun.

Heut Vormittag Telephon mit n Auf Grund der Verabschiedung des Beamtengesetzes3 hält er seinen Rat, sich außen umzusehen, aufrecht. Heut diesbezügliche Verhandlungen mit q. Da ich Dienstag nochmal zu r kommen soll, bleibe ich noch hier. Nach s fahren wir nicht.4 Die Situation hier ist viel wichtiger. Wenn irgend möglich, komme ich zu Ostern, vielleicht am Freitag.5 Vielleicht aber mußt Du kommen.

Ich sehne mich oft sehr nach Dir! In Liebe
Dein z.

aa kommt gar nicht in Frage, ist selbst bedroht.


Fußnoten, Anmerkungen

1Der Brief ist im Original undatiert. Die ungefähre Datierung ergibt sich aus dem Inhalt und Kontext, insbesondere aus der Erwähnung des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 sowie des nahenden Osterfests 1933.
2Die in diesem Brief erwähnte "Kant-Gesellschaft" steht hier nicht für die gleichnamige wissenschaftliche Gesellschaft, sondern diente als Chiffre für die SPD. Diese Tarnbezeichnung wurde vermutlich aus Vorsicht bzw. aus politischen Gründen verwendet.
3Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurde am 7. April 1933 verabschiedet. Es bestimmte in § 4, dass Beamte, "die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten", von ihrer Tätigkeit befreit werden konnten. Auf dieser Grundlage wurde o durch ein p von den Nationalsozialisten bis auf Weiteres beurlaubt, da er als politisch unzuverlässig galt.
4t und u waren von v dorthin eingeladen worden, wie w seiner x y mitgeteilt hatte.
5Der Karfreitag des Jahres 1933 war am 14. April.

Register

aTillich, Hannah
bSchmidt, Karl Ludwig
cMennicke, Carl August
dSeeberger, Elisabeth
eWerner, Marie Luise
fHeimann (Hg.), Neue Blätter für den Sozialismus. Zeitschrift für geistige und politische G..., 1930
gStaudinger, Hans
hSchmidt, Karl Ludwig
iSimon, Hugo
jMennicke, Carl August
kRathmann, August
lMannheim, Karl
mLommatzsch, Erhard
nWedemeyer, Hans von
oTillich, Paul
pBrief von Bernhard Rust an Paul Tillich vom 13. April 1933
qDeißmann, Adolf
rWedemeyer, Hans von
sAhrenshoop
tTillich, Paul
uSchmidt, Karl Ludwig
vSeeberg, Erich
wTillich, Paul
xTillich, Hannah
yBrief von Paul Tillich an Hannah Tillich verm. April 1933
zTillich, Paul
aaHermelink, Heinrich

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Hannah. Papers, 1896-1976, bMS 721/3(6)
Typ

Brief, eigenhändig.

Postweg
Berlin - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich verm. aus der zweiten Aprilwoche 1933
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich verm. zweite Aprilwoche 1933

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Briefe

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich verm. aus der zweiten Aprilwoche 1933, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L01388.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

{{Internetquelle |url=https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L01388.html |titel=Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich verm. aus der zweiten Aprilwoche 1933 |werk=Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition. |hrsg=Christian Danz, Friedrich Wilhelm Graf |sprache=de | datum= |abruf=???? }}
L01388.pdf