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Liebste Hannah!1]

Um 4 holte ich K. L. S. und Carolus ab. Sie hatten sich schon im Zuge getroffen. Dann um ½ 7 fing die Sitzung an und dauerte bis 12. Dazwischen Abendbrot an reizend gedecktem Tisch. Elisabeth erwies sich als reizende Wirtin. M. L. gab ihr Zimmer her. Erst wurde die Lage der Kant-Gesellschaft besprochen, dann die allgemein Lage. Es erwies sich die merkwürdige Dialektik, daß auf der einen Seite stehen Humanismus und Reaktion, auf der anderen Sozialismus und Barbarei, entsprechend den beiden Gruppen, die gesiegt haben. Wofür sollen wir uns innerlich und in gewissen Grenzen auch äußerlich entscheiden? Im ersten Fall Rechtsstaat auf autoritärer und kapitalistischer Grundlage, im anderen Fall ein sich selbst verschlingender Abgrund, dessen Ende wahrscheinlich Bolschewisierung ist. Dabei die schwere außenpolitische Drohung.

Die Zeitschrift geht weiter. Sie hat als zur Zeit einziges Blatt der ganzen Bewegung eine große Chance. Immerhin muß jeden Augenblick mit Verbot gerechnet werden.

Austritt aus der 'Kantgesellschaft' wurde von St. Und K. L. S. | scharf abgelehnt, von Simon, Carolus, Rathmann etc. ebenso energisch verlangt. Auch hier müssen wir beide, Du und ich, ganz von uns aus entscheiden. – Dagegen war man der Meinung, daß ein Antrag auf Beurlaubung sehr nützlich sein könnte, da bei einem Klamauk keine Lorbeeren zu ernten sein und für später im Falle einer Beruhigung ein Negativum. Da M. heut kommt, werde ich mit ihm den besten Weg suchen. Schade ist, daß der Dekan nicht geschrieben hat. Damit hätte ich leichter ins Ministerium gehen können. Ich werde es aber auch so tun.

Heut Vormittag Telephon mit v. W. Auf Grund der Verabschiedung des Beamtengesetzes2] hält er seinen Rat, sich außenumzusehen, aufrecht. Da ich Dienstag nochmal zu v. W. kommen soll, bleibe ich noch hier. Nach Ahrenshop fahren wir nicht.3] Die Situation hier ist viel wichtiger. Wenn irgend möglich, komme ich zu Ostern, vielleicht am Freitag4]. Vielleicht aber mußt Du kommen.

Ich sehne mich oft sehr nach Dir! In Liebe
Dein Paulus.

Hermenlink kommt gar nicht in Frage, ist selbst bedroht.

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    • Neue Blätter für den Sozialismus. Zeitschrift für geistige und politische Gestaltung, hg. von Eduard Heimann, Fritz Klatt und Paul Tillich, 1930ff.