Der editierte Text

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a, d. 19. 4. 21
Lieber b,

ich danke Dir f[ür] Deinen lieben Brief. Ich habe meinen nur mit Herzklopfen und Angst weggeschickt. Es gibt (darüber bin ich mir klar) nur ganz wenige Menschen, die ihn so aufgenommen hätten wie Du. – Ich versuche zu verstehen. Aber verstehen heißt nun einmal bei mir, dass ich es in immer möglichst einfachen begrifflichen Zusammenhang bringe, und dass ich es mit den Gedankenbildungen vorher vergleiche, um den neuen Punkt herauszufinden. Wenn Du erst meinen „d und ec“ bekommst, wirst Du dieser Methode vielleicht gerechter werden. Sie beruht durchaus auf einem Einfühlen und Mitleben. – Eine Grenze alles Einfühlens ist natürlich gegeben: das ist das Maß der eignen Persönlichkeit. Man kann nicht Länder sehen, in die die eigenen Flügel nicht tragen. Wenn Du also wirklich eine ultima Thule gefunden hast, das ich nicht erreichen kann, dann bleibt eben die Diskussion sinnlos. Aber es steht mir doch frei, mich einwühlend in Dich die Behauptung zu prüfen. Es könnte ja doch sein, dass diese ultima thule tatsächlich eine mir zugängliche Provinz ist und dass also meine anders klingenden geographischen Behauptungen Dir gegenüber recht haben.

Es ist also der Sinn Deiner Kritik, mir die Verkehrtheit meiner Geographie nachzuweisen, zu zeigen, dass Du auf einer neuen Zukunftsinsel stehst. Es ist der Sinn meiner, Dich vor die Frage zu stellen, ob Du die Behauptung von der ultima thule aufrecht erhalten kannst gegenüber meinen Beobachtungen (Beobachtungen die ich mache, kein Versuch in Dich einzudringen). Ich bin also in der peinlichen Lage, der Kleinlichere und Bestimmtere sein zu müssen, der Mann, der Begriffe gegen die Intuitionen setzt.

Entschieden kann natürlich nur die Lage erkannt werden, wenn ich „f“ ganz habe. So muß ich mit Fragmenten arbeiten, und es ist wohl unvermeidlich, dass ich Deine Begriffssprache nicht immer richtig errate. Aber auch wenn ich andere Worte habe, könnte ich doch den Kern richtig erfasst haben. Wenn also eine Formulierung Dir nicht tief genug ist in dem was ich sagen werde, so laß es nicht den in ihr um Ausdruck ringenden Gedanken entgelten.

Eine konkrete Frage scheint mir am leichtesten zu erledigen. Du stehst im wesentlichen zur ök Geschichtsauffassung. Masse oder Persönlichkeit wer ist der Schöpfer des sich fortbewegenden geschichtlichen Lebens. Du sagst: die Persönlichkeit ist nur der Exponent, in dem die Masse sich versteht. Nun gibt es Persönlichkeiten, für die das zutrifft. Aber ich meine, sie sind auch darnach. Für die Großen der Geistes- und Religionsgeschichte ist Dein Satz einfach in Widerstreit mit den Tatsachen. g, h, i, j, k, l als Exponenten eines sich verstehenden Massentums, das ist mir ein schlechthin unfassliches Mythologem. Gewiß, ein heiliges Schicksal, um mich Deiner Sprache zu bedienen, spricht auch aus ihnen. Sie sind keine Kometen im Planetensystem. Aber dies Schicksal ist ἐπέκεινα της ουσιας, und auch επέκεινα του αμορΦου πληθους (a pl. = Masse). Weil der Funke, der den Wald entzündet, kein sinnloses Atomon im Weltenleben ist, muß er darum durchaus Exponent der im Walde schlummernden Kraft sein? An diesem Punkt scheinst Du mir einfach einem Zeitirrtum zu verfallen, und dieser Zeitirrtum ist das begriffliche Fundament Deiner neuen Schöpfung. Und hier wirst Du mich nie überzeugen, die Tatsachen sind stärker als der Prophet. Mein m pflegte, wenn ich ihm 1x eine relig Schöpfung mit Hinweis auf die Tatsachen zerschlage, zu sagen: Wir können heut keine Historiker brauchen. Es mag auch ein undankbares Geschäft sein, gegenüber den Träumen der Gegenwart an die Tatsachen der Geschichte zu erinnern. Aber ich kann nicht gegen die geschichtliche Wahrheit. Hier bin ich ein im Gewissen Gebundener.

Nun vertieft sich mir das aber auch sofort ins Religiöse. Ich kann mir nicht anders helfen: ist Deine Deutung des Verhältnisses von Masse und Persönlichkeit in der Geschichte richtig, so müsste die sich selbst durchwissende Persönlichkeit nicht ein Verhältnis zur Wahrheit, sondern eins zu dem in der Masse sich {kündenden} Schicksal haben. Damit wird aber der religiöse Genius auf irreligiöse Weise gedeutet. n hätte beim Sichdurchwissen gefunden, dass das tiefste Wollen der Massen des röm. Reichs in ihm zur Manifestation komme, o hätte ebenso zu den das mittelalterliche Zwangssystem abschütteln wollenden Massen des 15. Jahrhunderts gestanden. Gott ist undeutbar nach Dir. Deutbar ist nur sein Wille im gegenwärtigen | Schicksalsmoment. Dieser Wille liegt in der Masse latent. Er bricht heraus in der Persönlichkeit, und nun kommt durch diese die Masse in Bewegung. Also hat die geschichtliche Persönlichkeit, auch p und q 1) ein Verhältnis zu dem unbestimmbar grauenvoll majestätischen Ewigen, ein Verhältnis, das als amor fati bejaht wird, und 2) ein Verhältnis zu den besonderen in der Gegenwartsmasse inkarnierten Schicksalsmomenten. Das erste ist das Allgemeine. Willensbestimmend, gehaltgebend, zu Formschöpfungen führend ist immer nur das Zweite. Woraus folgte, dass r Vater im Himmel, s barmherziger und gnädiger Gott mit dem in der Masse inkarnierten konkreten Schicksal eins sind. Denn als bestimmte Ausdeutungen des Ewigen, mit best. willensformenden Folgen, haben sie den Gott gemeint. Nicht als den unbestimmten Hintergrund alles Wirklichen.

Ehe ich einen Schritt weiter gehe, vergleiche ich Dich mit t. Auch u arbeitet mit Stoff und Form als den Grundgegensätzen des Weltgeschehens. Aber die Form ist ihm dabei das ewige Telos. Der Stoff ist das in der Bewegung auf dies Telos Befindliche. Aller Gehalt liegt also in der Form. – Bei Dir dagegen ist die Form nur der Versuch, den im Stoff liegenden Gehalt ans Licht zu bringen. An der Unendlichkeit des Gehalts zerbricht jede Form wieder. v denkt idealistisch-teleologisch, Du naturalistisch-kausal. Daß Du Deine Betrachtung durch einen Untergrund vertiefst, den innerlichen Gehalt von jedem manifesten Stoff noch wieder unterscheidest, ändert an dem Prädikat naturalistisch nichts. Aus diesem Grunde kann man in w' th.ie es zu einer den historischen Tatsachen entsprechenden Schätzung der Persönlichkeit bringen. In Deiner aber nicht. Doch das nur als Exkurs, auf den ich dann später zurückgreife. –

Ich erinnere nun an eine religionsgeschichtliche Tatsache. Die Begriffe Christentum und Heidentum haben einen best. historischen Sinn. Sie müssen erfasst werden aus dem Verhältnis zwischen christlicher und heidnischer Religion im römischen Reich. Dabei ergibt sich Folgendes als Grundunterschied. Daß ein | ewiger Wille, die Heiden sagen: eine Heimarmene, über und in allem walte, darin sind beide Religionen eins. Aber 1) das Heiden[tum] hält den Sinn der Heimarmene für schlechthin undeutbar. Man kann immer nur im gegenwärtigen Augenblick es erleiden. Das Christen[tum] dagegen glaubt einen ewigen, von aller Gegenwart losgelösten Sinn des Ewigen zu wissen: die Liebe unseres Vaters im Himmel, in der wir zu reinen und gütigen Menschen heranwachsen. Es wird also eine best[immte] ethische und persönliche Deutung vollzogen. Man hat den Mut, über das Transzendente etwas auszusagen, was das Heidentum nicht wagt. 2) Als zweiter Unterschied aus dem ersten erwachsend ergibt sich eine andere Schätzung im Verhältnis des persönlichen Lebens zum schicksalhaften Weltgeschehen. Nach dem Heidentum ist das persönliche Leben durch die Ordnungen des Kosmos determiniert, nach dem Christentum hat die Persönlichkeit an der Ewigkeit des Transzendenten teil und gewinnt dadurch eine Weltüberlegenheit, die auch zur Weltgestaltung befähigt. – Nun verkenne ich nicht, dass in Deinen Formeln auch christliche Elemente weiterleben. Du suchst eine des sittlichen Gehaltes entkleidete, rein formale Persönlichkeit im unmittelbaren Verhältnis zur Majestät des Heiligen stehen zu lassen. Aber im Wesen stehst Du dem Heidentum von damals näher. Denn Du verzichtest wie es auf eine unbedingt giltige Deutung des Ewigen, und Du fasst den konkreten Gehalt des persönlichen Lebens als Exponenten des in concreto {¿¿¿ ¿¿¿} mit der H[eimarmene] {¿¿¿} Weltgeschehens. Daß Du das Astrologische dabei nur zum Hintergrund machst, während es im Heidentum | das Ganze ist, das ist ein Unterschied der Bildung. Und das ist eine besonders deutliche Parallele: dass die Unwissenheit über Gott (die ungewollte im Heident., die erkenntnistheoretisch und religionsphilosophisch begründete bei Dir) bei beiden dazu führt, die letzte Notwendigkeit sich in irdisch-geschichtlichen Ordnungen manifestieren zu lassen.

Wenn ich Dich einen Heiden nannte, so hatte das also nicht den Sinn eines Werturteils, sondern es war der Versuch einer religionsgeschichtlichen Einordnung. Am besten freilich nennt man Dich wohl einen Gnostiker, wenn nämlich ein Gnostiker ein Heide ist, der das Beste aus dem Christen[tum] als {¿¿¿ ¿¿¿} (als einen Teil der Immanenz) in seinen heidnischen Glauben einordnet. Und von der Gnosis her stammt auch Dein Anspruch auf immer schlechthin neue Offenbarung, ein schlechthin neues Erleben. Die Gnostiker verwarfen das Christen[tum] als psychisch und waren Pneumatiker. Du verwirfst das Christen[tum] als Formreligion und lebst aus dem unaussprechlichen Gehalt. – All das entscheidet noch nicht über den Wert. Denn es könnte ja an sich sein, dass das Christent[um] jetzt aus sei und eine heidnische Gnosis als höhere Religionsform käme. Vielleicht überlegst Du Dir einmal, ob Du nicht die ganze Geschichte des Christen[tums] als | zwischen eingekommene Antithese, und Deine Religion als Synthese, die den Gehalt oder die wesentlichen Formelemente der Antithese in die These hineinnimmt, konstruierst.

-- Nun noch zu der Frage, ob Du die Masse vergöttlichst. Lieber x, ich rede jetzt menschlich: wie wirken Deine Worte? Selbst ein so kluger Kerl wie y versteht Dich da dann falsch. z hat hier in einem Vortrag zum Kopfschütteln vieler die proletarische Masse als an sich heilig erklärt. Das haben mir mehrere kluge Hörer, und auch solche, die Sozialisten sind, unabhängig voneinander erzählt (Ich selbst war nicht da, es war ein geschlossener Kreis, und es scheint aa nicht gepasst zu haben, dass ich dabei war. Er hat vor mir Angst, vor meiner Dialektik. Denn er kennt Deutschlands Schicksal1, und haßt das Buch.) Und er hat ferner erklärt, von Gottesglauben dürfe man der Masse nicht sprechen. Mit dem Wort „Gott“ bringe man nur von außen etwas an sie heran, während sie in sich alles tragen und allein aus sich schaffen und leben wolle. – Es waren noch viele Einzelheiten, an denen ich M.s Vortrag als Echo Deiner Aufsätze erkennen konnte. Nun frage ich mich: wer so von der proletarischen Masse zur proletarischen Masse redet, tut der nicht Sünde? Zu dieser Sünde aber hast Du mit Deinen zweideutigen Formulierungen verführt, Du züchtest ja eine Selbstvergötterung und Selbstbeweihräucherung der proletarischen Masse mit solchen Aufsätzen heran. Als ob die Marxisten nicht schon genug vor sich auf | dem Bauche lägen.

Ich rede völlig unpolitisch, ab. Aber der Marxismus hat die relig. Frage gestellt. Er hat es selbst dahin gebracht, dass hier eine religiöse Kritik an einer halbpolitischen Bewegung geübt werden muß. Und was tust Du anderes, als dass Du diese religiöse Weihung des Unternehmens noch vertiefst und verschärfst. Wird Dein Geist der proletarischen Bewegung Herr, so ist es entschieden, dass alle ernsten Christen geschlossen gegen den Sozialismus aufstehen müssen. Und das wäre schade. Denn dann verlöre das Christen[tum] seine wirkliche Kraft gegen die kapitalistische Reaktion.

Das Richtige scheint mir zu sein, zwischen Religiös und Sozial einen dicken senkrechten Trennungsstrich zu setzen. Wenn die Arbeiter im Namen der Gerechtigkeit für ihre Interessen kämpfen, so haben sie dazu das gleiche Recht wie die Großunternehmer und die Bauern. Wenn sie im Namen der Nationalökonomie die soziale Ordnung umgestalten wollen, so muß man mit ihnen wissensch. diskutieren. Wenn sie sich aber als die Gottesbefreiungen heilger Masse geben und gegen eine Religion des Gewissens und des ewigen Lebens und des ewigen Gotteswillens sich empören, so haben sie selbst ein Entweder-Oder gestellt, an dem sie zerscheitern werden, und das mit Recht.

Es ist jetzt in der Arbeiterbewegung sociale durch die Tatsachen erzwungene nüchterne Reaktion am Werke. Man sieht ein, dass die Masse an sich ohnmächtig ist, man sieht ein, dass man mit der Nation auch sich selbst vernichtete, man sieht ein dass der Marxismus eine verkehrte NatioÖkon. war. Es | käme alles darauf an, diese nüchterne Einschätzung zu unterstützen und, unter Absehen von allen relig. Fragen und allem Massenstolz und Massenwahn diese sachl. Probleme scharf zu diskutieren. Darum könnte der gangbare Weg zwischen Kapitalismus und Chaos hindurch viell. gefunden werden. Und statt dieser beginnenden Versöhnung zu helfen, tut Ihr das Möglichste, um die alte irre Sch…stube wieder aufzumachen. Die evgl. Kirche ist ein schlapper Handschuh, aber Ihr werdet es doch wohl noch fertig bekommen, dass dieser Handschuh gegen den Sozialismus eine Faust macht. Schließlich wird auch Schafleder ungeduldig.

Ich bin doch gar kein Kapitalist. Ich diskutiere nur ökonomische und politische Fragen auf einem andern Kampffelde als Du. –

Also das wäre der menschliche Exkurs dazu, wie Du die Masse vergöttlichst. Nun das Prinzipielle. Es scheint mir in der Bestimmung des Verhältnisses zu ac gegeben zu sein. Du fasst die Masse als vas dei praecipuum in der menschlichen Geschichte. Das nenne ich vergöttlichen. Kein philosophisch gebildeter Heide setzt seine natura wie auch nur s. Gott mit dem Gott an sich gleich. Er erkennt ein θειον jenseits beider an. Darüber hat der Neuplatonismus, aber auch schon die altbabylonische Zukunftsspekulation die geistreichsten Theorien. Dass Du solche auch besitzest, habe ich nicht bestritten. Daß nur ein Teil des θειον in einer nur {kultisch eingeführten} Gottheit sei, hat sich für den | Heiden immer von selbst verstanden. Du lehnst das Prädikat also ab, indem Du mir unterschiebst, ein Götzendiener sei notwendig Fetischist oder wenigstens barbarischer Wilder. Das fiel mir aber nicht ein.

Dazu noch eins: Du machst die Masse an sich zur Erscheinung des Göttlichen. In ihrer natürlichen Gegenwartsbestimmtheit. Das habe ich moniert: es fehlt der Bußruf. Deine Antwort ist: Du richtest ihn an den einzelnen, der dies Heilige gottlos missbrauche. Also, und das meinte ich, ist die Heiligkeit der Masse selbst an sittliche Bedingungen nicht geknüpft. Sie ist an sich heilig. Das ist trotz allem richtige Interpretation. Dem stelle ich entgegen, dass die {Knüpfung} aller Erscheinungen in Offenbarungen Gottes an das Element des Sittlichen die große Errungenschaft des Christentums ist, deren Preisgabe einen Rückfall ins Heidentum bedeutet. Und dass von meiner Begriffssprache aus eine sittlich nicht bedingte Gemeinschaft mit Gott immer Kreaturvergötterung bedeutet. –

Verstehe ich Dicht nicht? Ich fühle wohl das enthusiastische Element in Dir. Ich fühle wohl die Überschwenglichkeit der Liebe zu Deinen Gedanken. Du hast ganz die Stimmung, die ad hatte, als ihm seine Offenbarungen geworden waren, als ae zu ihm gekommen war. Und nun ist die Frage: was beweist Dein Empfinden dafür, dass Du eine Offenbarung hast? Ich bin schon | oft von ganz alten und einfachen Gedanken erschüttert und durchwühlt worden. Und manchmal waren auch handgreifliche Irrtümer darunter.

Du redest von dem, was kommen wird, von dem sich erfüllenden Schicksal. Mag sein, dass wir einen proletarischen Staat bekommen, ich bin kein Prophet und kenne nur den ewigen Gott, nicht aber seinen Weg in der nächsten Zukunft. Aber wie auch die Menschheit ihr Haus sich umbaue, es wird immer ein Haus aus Dreck und Lehm sein, und Gottes Reich wird immer nur etwas sein, was in ahnenden und gehorsamen reinen Herzen lebt, und Gottes Liebe wird in jede irdische Ordnung immer hineinwirken wie etwas aus dem Jenseits, das sich einige Herzen untertan macht. Die Frage der sozialistischen Gesellschaftsordnung ist eine Frage der Kultur. Gottes Reich aber ist ein Fragen des auf die Ewigkeit bezogenen Gewissens. Und ohne ein solches heimliches Gottesreich jenseits ihrer und in sie hinein zerfällt jede irdische Ordnung in den Staub, aus dem sie gebaut wurde.

In Liebe
Dein af.

Nachwort, als Vorwort zu lesen.
Lieber ag, ich habe nun alle Quisquilia beiseit gelassen und einen Brief geschrieben über die wesentlichen Punkte. Hoffentlich verstehst Du ihn. Politische Leidenschaft ist in meinen Briefen vom Winter 1918 gewesen, aber in dem vorigen und diesem wahrhaftig nicht. Es ist nur, das kann ich nicht leugnen, Leidenschaft für das Evangelium drin. Aber hast Du nicht auch Leidenschaft für Dein Erleben. Ein rechter Mann muß in diesen Dingen sein ganzes Herz einsetzen. Ich hätte Dir auch ganz rein dialektisch-wissenschaftlich schreiben können, und hätte wahrscheinlich größeren Eindruck gemacht. Mir ist das, was ich historisch, logisch und dialektisch einwende, wahrhaftig nicht bloß Mittel zum Zweck. Es gilt auch abgesehen von der anderen Gesinnung in den Ewigkeitsfragen. Du sagst, ich sei prot. Theolog und ahianer, und das ist in Deinen Augen genau so schlimm, als wenn ich Dich einen Kreaturvergötterer heiße. Auch hier bist Du mir nicht voraus in dem Sinne, dass Du aber dialektisch gegen einen Prediger kämpftest. Es ringen eben zwei Geister, Geist in jedem Sinn des Wortes genommen, in unserem Streite.
Es tut mir leid, dass ich gerade eine bittere Zeit in Deinem Leben getroffen habe. Mögest Du bald befreit sein von allen diesen Peinlichkeiten. Und vergiß nicht, ai, dass ein fester, rücksichtsloser Wille oft die beste Gnade und Barmherzigkeit ist, | auch gegen die, gegen die er sich wendet. Quod deus bene vertat. – Allezeit Dein aj.


Fußnoten, Anmerkungen

1Konnte nicht ermittelt werde.

Register

aBonn
bTillich, Paul
dNietzsche, Friedrich
eLuther, Martin
gJesus
hAugustinus
iLuther, Martin
jRousseau, Jean-Jacques
kKant, Immanuel
lFichte, Johann Gottlieb
mHirsch, Hans S.
nJesus
oLuther, Martin
pJesus
qLuther, Martin
rJesus
sLuther, Martin
tAristoteles
uAristoteles
vAristoteles
wAristoteles
xTillich, Paul
yMennicke, Carl August
zMennicke, Carl August
aaMennicke, Carl August
abTillich, Paul
acAristoteles
adNietzsche, Friedrich
aeZarathustra
afHirsch, Emanuel
agTillich, Paul
ahKant, Immanuel
aiTillich, Paul
ajHirsch, Emanuel

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/152
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Bonn - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Emanuel Hirsch an Paul Tillich vom 14. Mai 1919
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Emanuel Hirsch an Paul Tillich vom 11. Juni 1921

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Emanuel Hirsch an Paul Tillich vom 19. April 1921, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00708.html, Zugriff am ????.

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{{Internetquelle |url=https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00708.html |titel=Brief von Emanuel Hirsch an Paul Tillich vom 19. April 1921 |werk=Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition. |hrsg=Christian Danz, Friedrich Wilhelm Graf |sprache=de | datum=19.04.1921 |abruf=???? }}
L00708.pdf