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Geliebte Hannah!

nur ein Wort des Dankes für Deinen Brief, der wie ein leises Streicheln heut meine tobenden zitternden Nerven in Ruhe brachte. Hannah, ich zweifle nicht an Dir, aber Du mußt verstehen, wie schwer es für mich ist, Dich hinter der [M]auer zu wissen, die ich nicht übersehen kann, und nicht weiß, was hinter ihr geschieht. Hannah; es ist gut, daß wir uns jetzt nicht sehen, daß wir uns vor Herbst nicht mehr sehen, es sei denn, daß ein Zufall es uns schenkt. Schreibe nicht Hannah, wenn es Dir schwer wird; und doch ist so süß wie nichts die unendliche Wiederholung des Wortes der Liebe; ein Wunder ist immer Wunder und darum ist jedes Wort von ihm immer neu. – Ja Hannah! Auf Blumen und Vögeln kommst Du zu mir, und mit Dir der Geist, von dem Pfingsten redet, der Friede und Liebe ist. Durch Flieder und Kastanien, durch Maiglöckchen und Buchengrün weht mich der heilige Hauch des Lebens an, dessen Seele Du bist. Ja Hannah, mein Wort im letzten Brief war ernst: Es ist ein hoher Prüfstein der Liebe, ob Natur trennt oder verbindet. Ich möchte so mit Dir eins sein, daß auch das stürmende Meer nur Deiner Seele Gewalt für mich ist. – Hannah, je einfacher, je reiner, je unschuldiger, je stärker ich werde, desto mehr nahe ich mich Dir. Vielleicht bist Du mir im Summen einer Biene näher, als in Qualen und Ekstasen, denn Du bist meine Substanz, meine Wesenhaftigkeit, mein Ursein. Über die anderen demnächst! Heut nur Du!

In vieler großer Liebe
Dein Paul
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