Brief von Eckart von Sydow an Paul Tillich vom 30. August 1913

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Der editierte Text

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a, d. 30.VIII.1913 Fürstenstr 13.
Lieber b!

Ich danke Dir für Deinen Brief1, den Du gelegentlich hoffentlich fortsetzen wirst. – Dass die Vorträge ins Wasser fallen, tut mir eines Teils sehr leid. Aber wahrscheinlich hätte ich doch nicht mich beteiligen können. Meine Arbeit stellt sich nun, wo ich so ziemlich am Schluss bin und sie schon dem c meines d angeboten habe, doch noch als umfangreicher heraus, als ich | annahm. Sodass ich frühestens Ende September – dann aber auch energisch – meine Dekadenz-Arbeit in Angriff nehmen kann. Von meiner zuerst erwähnten Arbeit schrieb ich Dir doch schon? : „Der Gedanke des Ideal-Reichs von ef in Zusammenhang der geschichtsphilosophischen Entwicklung“!! Ein schrecklich langer Titel, der aber nicht zu umgehen ist. Ich arbeite jetzt ziemlich energisch daran. Soweit meine Nerven, die | sich immer mehr zu verabsolutieren scheinen, es zulassen. Es ist eine Niederträchtigkeit, dass es noch kein sicheres Nervenberuhigungsmittel gibt. Ich könnte dann doppelt so viel arbeiten. Ich hoffe immer noch, dass der regelmäßige Berufsdienst da einige Besserung bringen wird, aber je näher ich der Berliner Zeit komme, desto peinlicher wird mir der Gedanke, meine philosophischen Arbeiten dann dort eine ganze Zeit lang in den hintersten Hintergrund stellen zu müssen. Literarisch klug ist es jedenfalls nicht, aber aus den | obigen Gründen doch wohl nicht zu umgehen. Ich beneide Dich im Moment herzlich um Segeln, Rudern u.s.w. Das Bibliotheken-Sitzen ist auf die Dauer doch zu miess. – Ich Im Grunde sind wir beide, glaube ich, doch Romantiker-Veranlagungen und ich glaube hin und wieder, dass wir das Systematisieren in einiger Zeit aufgeben werden. – Was verstehst Du unter "Paradoxon" in Deiner Arbeit. Schicke mir doch bitte mal das Vorwort. – A propos von Dekadenz – kannst Du mir ein Buch nennen, in dem die Ansichten über das Böse | in übersichtlicher Form zusammengestellt sind? Ich glaube mich an ein Buch von einem Theologen Müller zu erinnern? Stimmts vielleicht und kennst Du den Vornamen dieses respektablen Mannes? – Hast Du im letzten Halbjahr schon wieder diesen cherry kobler getrunken? Ich noch nicht[.] g ist leer. Ich habe kaum einen Bekannten und so langweile ich mich häufig etwas[.] Gestern war ich in hs-i. Kennst Du? Eines der furchtbarsten | und ergreifendsten Stücke, die ich je gesehen. Das Nachtasyland der Lebende Leichnam sind dagegen das reine Zuckerwasser. Zum Schluss ist man wortlos, wütend und die Nerven sind einfach totgetrampelt. – Denke Dir die IX-Symphonie in Dekadente umgedreht. Bitte empfiehl mir ein paar Werke (Romane) von j. Das k kenne ich. – Ich fürchte: nach l werde ich kaum können. Sieh mal: ich muss am 16. Sept. abfahren einen Tag in m bleiben, | mich im Museum vorstellen, Besuche machen und leider auch Wohnung suchen. Da habe ich kaum Zeit, Vernünftigeres zu tun. – Eher im Oktober kann ich wohl mal zum Sonntag hinausfahren. Wir müssen unbedingt mal wieder Philosophie-Schach-spielen. – Hörtest Du von n etwas? Ich muss ihn in meiner Arbeit leider ansägen. Aber in sehr höflicher Form. – Bitte grüsse o und Deinen p.

Herzliche Grüsse Dein tr.
q

Wann entscheidet sich r-s?


Fußnoten, Anmerkungen

1Nicht überliefert.

Register

aMünchen
bTillich, Paul
cNiemeyer, Max
dvon Sydow, Kritischer Kant-Kommentar: zusammengestellt aus den Kritiken Fichtes, Schel..., 1913
eKant, Immanuel
fHegel, Georg Wilhelm Friedrich
gMünchen
hStrindberg, August
iStrindberg, Totentanz. Erster Teil, 1917
jKierkegaard, Sören
kKierkegaard, Das Tagebuch des Verführers, 1903
lButterfelde
mJena
nMedicus, Fritz
oFritz, Johanna
pFritz, Alfred
qvon Sydow, Eckart
rBonn
sBerlin

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/191(6)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
München - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Postkarte von Eckart von Sydow an Paul Tillich vom 18. August 1913

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Zitiervorschlag

Brief von Eckart von Sydow an Paul Tillich vom 30. August 1913, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00369.html, Zugriff am ????.

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