animus fert der Geist treibt mich, zwar nicht die Verwandlungen
die die Götter mit alten Formen vornahmen zu besingen, aber Dich von den
Verwandlungen meiner Ideen in Sachen des irrationalen u. des rationalen Mysticismus
in Kenntnis zu setzen. Es wird besser sein wenn wir jene methodische Grundlegung der
Theologie zum alten Eisen legen. Ich fürchte nämlich, daß der rationale Mystizismus
unser gemeinsamer Feind, nicht anders als "ein hölzernes Eisen" genannt zu werden
verdient. Er scheint mir eine Waffe die nicht schneidet, gegen die wir uns daher auch
nicht mit einem irrationalen Saulspanzer zu schützen|
brauchen, der uns doch auf die Dauer nur hinderlich wäre. Verschanzen wir uns lieber
einfach hinter den Mystizismus und argumentieren e concesso, daß
es sich hier eben um mysteria handelt. Das muß uns Medicus u. alle seinesgleichen zugeben. Eine
Religionsphilosophie die das Mysterium aus der Religion streicht ist ja möglich kann
uns aber nach dem Auftreten der Kritik
der reinen Vernunft nicht mehr imponieren. Diesen Grundgedanken des seligen
Kant den er ja nicht zuerst
gehabt hat, können wir immer festhalten: Alles kategoriale Denken reicht an eine
erschöpfende Darstellung des religiösen Erlebnisses nicht heran, u. dies Zugeständnis
ist ein wesentliches Stück der Religion, so daß keine Religionsphilosophie sich ihnen
entziehen darf; auf ihm beruht die Selbständigkeit u. Möglichkeit einer
Religionsphilosophie gegenüber den empirischen Wissenschaften.|
Haben wir
das aber erst einmal fest ins Auge gefaßt, so wird eine Unterscheidung zwischen
rationalem u. irrationalem Mystizismus einigermaßen schief, insofern das erste eine
contradictio in adiecto u. das zweite eine Tautologie bedeutet.
Du könntest mir gegen diese letztere Behauptung einwenden, daß ratio hier eben die Vernunft im Unterschied von intellectus, dem Verstand bedeute u. so jene oben genannte Unterscheidung
von mysticism. rat. u. myst. irrat. möglich
sei. Nun gut. Dann will ich mich jedenfalls, wie schon angedeutet nicht in Gegensatz
zur "ratio" setzen u. überlasse den myst.
irrat. andern Leuten. Die Finsternis eines irrat. myst. wird
mir zu dick, da kann ich mich nicht drin bewegen. Ich möchte versuchen "Medicus" von einer andern Seite
aus beizukommen. Dir ist bekannt, daß es sich zwischen "M." u. mir um das Persönliche in der Religion
handelt: Gebet- u. Schuldbegriff. Seine Religion ist orientiert am Seinsbegriff,
meine am Persönlichkeitsbegriff.|
(Ich kann es nicht unterlassen hervorzuheben, daß der in meiner Religionsphilosophie als Gegner
figurierende Medicus mit dem
lebendigen Privatdozenten nicht einfach identifiziert werden darf; Du verstehst mich
ja.) Der Seinsbegriff scheint zum Grundbestandteil des Gottesbegriffs deswegen
gewählt, weil ein Sein dem Ich immanent gedacht werden kann. Das ergiebt ↓anscheinend↓ keine großen Schwierigkeiten, mich mit einem Gehalt
einem "reinen Sein" erfüllt zu denken. Von hier aus ergiebt sich aber ebensosehr
↓klar↓ die Ablehnung des Schuldbegriffs,im
↓der die↓ Schuldder
↓als↓ Vergebungsbedürftigkeit, als etwas Seiendes betrachtet, u.
des Gebetsbegriffs, der im Gebet etwas anderes als Selbstbesinnung sieht. Denn beides
zeigt eben, daß die Verbindung zwischen Gottheit u. Mensch nicht nur auf ↓der↓ menschlichen Seite persönlich ist, sondern auch auf
göttlichen, daß nicht menschlicher Wille göttlichem "Sein" sondern göttlichem Willen
gegenüber steht. Ich habe ja an diesem Punkte keine ausführlichen
Auseinandersetzungen|
"M"s. Jedenfalls sind sie schon sehr lange her. Aber hier scheint mir das punctum saliens. M.", vom Ich ausgehend, macht Gott zum Korrelat des Ichs. Bei Fichte in den
Atheismusstreitschriften ist das deutlich. Später findet sich formal auch die
umgekehrte Konstruktion, (WL von
1810 vgl
Medicus Fichte
↓Fortsetzung 9.13.↓ S241 ff.) aber, wie Medicus S 243
zeigt ist das im Grunde nur äußerlich: "der Ichcharakter der
Lebensinhalte garantiert deren Herkunft aus dem absoluten Ich, aus Gott"). Diese
Wertung des "Ichs" ist charakteristisch für Medicus-Fichte. (Hierbei möchte ich anmerken: ob Med.-F der größte der einzige d.h. die Konsequenz
aller Gegner ist, wie wir damals feststellten, ist mir zweifelhaft, jedenfalls ist
er
der den ich am besten kenne) Was fangen wir nun mit dieser Autonomie an? Jedenfalls
ist sie nicht die Rationalität das treibende in "Med"s Gedanken. ↓Die↓
Rationalität ist durchaus der Autonomie untergeordnet, sie1] empfängt von der Autonomie
ihre Macht u. wird nötigenfalls aufgegeben (im ontologischen Gottesbeweis), wenn nur
die Autonomie gerettet wird! Die Autonomie ist eine Forderung der
praktischen Ver|
nunft, d.h. des sittlichen Willens, sagt "Med." Daßsie
↓diese Forderung↓ aus dem Willen hervorgeht, ist deutlich; wie
kommt aber dieser Wille dazu für sich das Prädikat: sittlich in Anspruch zu nehmen.
Warum ist Freiheit
göttlich? Es ist ja natürlich unmöglich jemand an dieser Meinung zu
behindern, der sagt: sic volo, sic jubeo, stat pro
ratione voluntas. Aber gegegenüber den Prädikaten:
Freiheit, Wollen, sollen ja auch die: sittlich göttlich "ratio"
zur Geltung kommen; beide Prädikatreihen sollen als zusammenstimmend, "einträchtig",
würde Schlatter sagen,nach
↓zusammen↓ geordnet werden. Giebt es nun aber einen anderen Maßstab
für Sittlichkeit Göttlichkeit, "Vernünftigkeit", als Autonomie? Das ist die Frage
um
die es sich Kollege "Medicus"
gegenüber handelt?. Hier hat uns der alte Kant mit seiner praktischen Vernunft, die blind
wie die jungen Hunde ist obwohl sie Königin der Welt sein will, in arge Verlegenheit
gebracht. Vollständig zugegeben daß man zu: sittlich göttlich "vernünftig" nur auf
Grund einer Gewissensentscheidung kommt, daß Wollen dabeinur
↓die↓
conditio sine qua non bildet, aber zwischen der conditio sine qua non u. dem eigentlichen constitutiven das Wesen eines
"Gegenstandes" bildenden, ist noch ein Unterschied. Aber was ist nun das
Constitutive? Wie bringen wir Vernunft u. Freiheit zusammen? Wir|
sprachen
damals vom Risiko u. waren geneigt uns dabei zu beruhigen. Freilich, wenn man als
Ferienmensch in Wald u. See herumstreift, dann mag man sich dabei beruhigen; aber
steht der ernste Schreibtisch u. die Größe des Theologenberufs als Studieninspektor
vor einem, so mag man nicht riskieren. Hier muß es besser sein! Ich verstehegleiche die Anfänge der WL, die sog. 2. Einleitung (bei Medicus Fichte
S 127), wo die
intellektuelle Anschauung als Princip der Philosophie auftritt. Leben u. Thun der
Vernunft wird durch dieselbe vom Philosophen "beobachtet". Hier geht F. deutlich über die reine
Thätigkeit hinaus, er faßt sich so in der ihm gegebenen Organisation auf. Er entdeckt
sich selbst d.h. er macht "Erfahrung" zur Grundposition. Freilich er grenzt diese
Erfahrung als Selbsterfahrung gegen alle Dingerfahrung ab, worin ich ihm natürlich
zustimme, da ich nicht gesonnen bin mich mit Spinoza in den Deus
Logisches Oder-Zeichen
natura zu verlieren. Aber soll mit der intellektuellen
Anschauung wirklich etwas gesagt sein, dann ist Selbsterfahrung
(ich gestatte freilich nicht über dem Selbst die Erfahrung zu streichen) die
Grundlage. Jedenfalls ist nicht mehr die junge-Hunde-Blindheit die Grundlage, sondern
das geöffnete Auge für das Selbst. Ich schaue mich selbst an, ↓dassagt
↓ist↓ etwas conkreter als ich besinne mich auf mich selbst.↓ DieVernunft
↓Idee↓ in mir kommt zu sich selbt mit Hegel zu|
reden.Der
↓Das↓ mir immanente göttliche Sein gewinnt Dasein in mir. (Das ist
die theologische Formel für diesen Vorgang. Verwundert erkenne ich meine trotz allem
vorhandene Einheit mit Gott. Aber ist dies die tiefste Interpretation dieses
Vorganges dieses angeschauten "Thuns u. Lebens der Vernunft"? Ist dies hier überhaupt
an seinem tiefsten innerlichsten wesentlichsten Punkt erfaßt? Die WL ist
erkenntnistheoretische Logik. Soll die Lehre vom Erkennen die Grundlage der Theologie
abgeben? Ich meine es findet eine Verflachung statt, wenn man, wie es ja seit Kant Brauch ist, die
Methodologie des Erkennens zur führenden Wissenschaft macht. Die größten Probleme
des
Lebens liegen nicht im Erkennen. Erfassen wir den Vorgang der Offenbarung ↓u. Religion↓ in der Erkenntnissphäre wie ich es oben zu beschreiben
versuchte, so werden wir ihn doch nicht erschöpfen. Was wir erkennen haben wir um
das
ihm eigentümliche Leben gebracht, uns assimiliert auf Kosten seiner Eigenexistenz.
Dein Vater verglich das
Erkennen dem Essen, aber der Hase, den ich esse, der ist nur noch der Leichnam
dessen wirklichen Hasen.Erkennen wir die Welt
so lösen wir sie auf in eine toten mathematisch mechanisch wirksamen Automaten, wo
sie doch die Fülle des Lebens ist. Auch wenn wir die Abbildtheorie nicht
teilen, das Gewußte|
u. das Lebendige Wirkliche zu identifizieren haben wir
kein Recht. Das Gewußte ist das mituns Hilfe unserer Kategorien
umgebildete, das Lebendige Wirkliche hat seine Eigenexistenz. ↓Daß↓
die Dinge eine Eigenexistenz im strengen Sinne des Wortes haben
will ich nicht behaupten, sie gehenwohl unter in dem
Gesamtzusammenhang des Seins. Bei den historisch wirksamen Persönlichkeiten stellt
sich die Frage nach der Eigenexistenz. "Medicus" scheint sie mit seinem
πληρωμα-Begriff zu beseitigen. Hier stoßen wir wieder an das große Problem: wem kommt
die Eigenexistenz zu der menschlichen Persönlichkeit oder Gott. "Med" löst die Frage so: Die erstere hat ihre
Eigenexistenz in der letzteren (sie ist ενυποστατος); d.h. wir haben hier wie die
Kategorien der Immanenz. – Aber setzen wir diese ab, so bleibt nichts übrig als die
Eigenexistenz (falls wir nicht in den Illusionismus eines Feuerbach versinken wollen um Gott zum Produkt
des Menschen zu machen)als sie beiden zuzuerkennen (unbeschadet
sie dessen als empfangene hat, während sie Gott a se besitzt). Wir
stellen uns also das Gottesverhältnis analog vor unserm Verhältnis zu dem einzigen
das uns seine Eigenexistenz kundgibt, zu den Persönlichkeiten. Unsern Gottesbegriff
gewinnen wir also entweder|
durch Kategorien der Immanenz oder aus der
Analogie der Persönlichkeit. Denn daß das Spinozasche Ding über uns herrsche
dulden wir nicht. Die Immanenz-Kategorien müßten wir auf uns nehmen wenn tatsächlich
dieselben das Thun und Leben der Vernunft, das wir in uns beobachten, richtig
wiedergäben. Thun sie das? Haben wir Grund, ihre eigentümlich nebelhaft berückenden
aber auch verwirrenden Resultate anzuerkennen? Wir wissen unsere Eigenexistenz.
Sollen wir sie so drangeben, daß wir uns nur als existierend in Gott, als zeitliche
Ausgestaltungen seines πληρομα, ihn widerspiegelnde aber wie das Abendrot auf den
Wolken vergängliche Abbilder seinersMajestät Lichtes erkennen? Oder sollte es uns einfallen an Gottes
Eigenexistenz zu rühren, Ihn zum ordo ordinans, dersich in unserer sittlichen Tat erwüchse zu machen? Fassen wir den tiefsten
Eindruck, den wir von Thun und Leben der Vernunft haben, ins Auge: den, welchen wir
haben, wenn wir dem gegenüber treten, der von sich gesagt hat ο εωρακως εμε εωρακεν
τον πατερα. Es handelt sich zunächst noch nicht um ihn, sondern nur um den Eindruck,
den wir
in
uns erhalten von dem was er uns zu sagen hat. Daß dies Erlebnis
nicht mit den Immanenz-Kate|
gorien zu erschöpfen ist scheint mir klar.
Denn in ihm erleben wir Gottes rettendes und richtendes Reden zu uns. In ihm erleben
wir den persönlichen lebendigen Gott. Hier spitzt sich alles zu, die christologische
wie die "theo"logische Frage, denn beides hängt ja letztlich ineinander in Frage:
hat
die Grundnorm seines persönliches Gottesverhältnisses für uns zwingende Macht?
Freilich hier ist ein Risiko nicht zu umgehen, nämlich das: an einer Stelle etwas
sagen zu müssen, wo man schweigen möchte wegen der Schwierigkeiten die jede positive Aussage hier drücken. Aber hier auf eine Aussage überhaupt
verzichten ist zu bequem modern u. noch einiges mehr aber unser unwürdig. Also sagen
wir etwas. Thun wir dies dann riskieren wir mit unserer Persönlichkeitsanalogie nicht
mehr alssonst "Med", sind nicht irrationaler als er. Wir haben aber zwei Vorzüge: 1) einen
religiös-sittlichen: Das Leben ist beherrscht von persönlichen Kategorien die in
größere Tiefen hinabreichen als die Immanenz-Kategorien. Dies kann ich freilich hier
nicht ausführen aber ein Vergleich einer (etwa der Kählerschen) Dogmatik mit "Med" praktischer Philosophie müßte das zeigen
u. könnte es m. E. auch unschwer. 2) einen onto|
logisch
erkenntnistheoretischen Vorzug. Ich habe mich nie damit befreunden können daß "Ich"
die reale Voraussetzung der Existenz der Dinge
bin. So wenig ich, wie Dir bekannt, die Dinge an sich schätze diese Basierung des
Seins auf die uns immanente Vernunft übersteigt meine Begriffe insofern als eben ihr
uns-immanent-Sein ein unfaßbares bleibt. Persönlichkeit u. Vernunft alsPrincip
↓Trägerin↓ aller gedachten Gesetzmäßigkeit stimmt zusammen, aber
↓unsere↓ Persönlichkeit u. Vernunft als Trägerin aller realen
Gesetzmäßigkeit nicht nur, sondern alles Seins, diese Auflösung
des Weltalls in Gedachtes übersteigt mein Vermögen. Der ontologische Idealismus ist
mir zu viel, er ist mir nur faßbar als Solipsismus Gottes d.h. als
idealistischer "Spinozismus", u. so ist er ja auch von "Med" nicht gewollt.
Aber nun will ich schließen mit dem Ausdruck meines doppelten Bedauerns 1) daß Du all dies lesen mußt, 2) daß die Schwierigkeit der Probleme die ich aufs neue ganz empfinde mich zu nicht mehr als dieser Stümperei kommen läßt. Aber was wir in Misdroy begonnen durfte doch nicht unter dem Niveau der erreichten Erkenntnis unvollendet liegen bleiben.
Mit herzlichen Grüßen auch an die Deinen