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den 18.02.1922

Geliebtes, sehr geliebtes Hannah-Kind!

„Habe Geduld mit mir, ich will es Dir alles bezahlen!“ Noch 14 Tage tobt die große Schlacht; dann ist das Kolleg zu Ende. Freitag. d. 3. März hoffe ich mit „Meister Eckhardt“ das Semester zu beschließen; und dann klappere ich einige Volks- und andere Hochschulen bis Mitte März nach, und dann ist Friede, und ich kann so oft an Dich schreiben, wie meine Seele mich treibt – – denn ich liebe Dich, unendlich, vollkommen, furchtlos – sehnsüchtig. Ich danke Dir für Deinen Brief und all das tiefe Sehen, was Du hast und mir offenbarst. Wie herrlich, wenn ich mit Dir leben könnte, und Du siehst und ich denke.

Die äußere Lage wird immer günstiger. Meinen Brief mit der Nachricht, daß ich von Simon etc. monatlich 1500 M erhalte, hast Du doch hoffentlich bekommen. Heut benachrichtigt mich das Ministerium, daß ich 20000 M jährlich mit Rückwirkung vom 1. Okt.ober 1921 bekomme; ich habe dann ohne alle Tätigkeit außer der Universität jährlich 48000 also monatlich 4000 M; natürlich wird nun alles andere abgeschafft und nur noch | gearbeitet. Mit den 10000 M, die ich auf diese Weise rückwirkend kriege, will ich sehen, daß wir im August nach Sylt gehen, Du und ich. Ach Hannah, ich weiß ja, daß es Deinem Denken schwer werden muß, über das große Ereignis Deines Leibes hinauszudenken. Aber es ist nötig, daß die Willensrichtung nachher so feststeht, daß sie nicht wieder umgeworfen werden kann; ich meine nicht die allgemeine, sondern die besondere Richtung, daß vom Sommer ab eine Trennung nicht mehr möglich ist. – Es ist nötig daß Du bald kommst, nicht um die zerreißende Vielheit zu überwinden; das hast Du schon getan durch Dein Dasein, sondern um mich, ehe ich zu entwöhnt bin, an das Leben in der Einheit zu gewöhnen. – Komm bald, das ist mein tägliches Gebet! –

Was sonst geschieht, ist alles nicht wichtig, außer meiner Arbeit. Beiliegende Anzeige ist von M.arie L.uise mit Deiner Adresse gekommen. Sie hat sehr unter Streik und Kälte gelitten. – Und Du liegst im Bett! Wenn dieses Zeug nicht so weh täte, würde ich Dich um das Bett beneiden! Hoffentlich dauert es nicht sehr lange! Sag Frede, daß ich Gertrud eine weiße Hyazinthe gebracht habe. – Ist Trudchen wieder bei Euch!

Ach Hannah, liebe, liebe Hannah, ich umarme und küsse Dich, mein Leben, mein geliebtes Leben!
D.ein P.
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