Geliebte, süße Hannah!
Einen schnellen kurzen Gruß eine halbe Stunde vor dem Kolleg! Ich war so furchtbar
doll froh über Deinen
Luftpostbrief, über die Idee und über die Ausführung. Ich dachte einmal daran, Dir
ein Telegramm zu
schicken, aber ich ließ es, da es meistens mehr Schreck als Freude macht;
auf die Idee, ein „Vogel fliegen zu lassen“ bin ich Berliner Weltstädter natürlich
nicht gekommen.
Ich kann Dir nur sagen, daß ich dieses schreibe, weil eine solche Woge wärmster Liebe
Dich umfassen
will, daß ich es Dir sagen muß. Eigentlich habe ich fast gar nichts zu sagen; denn
alles andere ist
unwichtig daneben. – Dienstag war ich bei Hugo Simon; er ist wirklich ein ganz erstklassiger
Mensch; wir sprachen viel über Religion und Sozialismus. Dann sagte er mir, daß er
mir gerne helfen
wollte. Er bot mir dann auf unbestimmte Zeit monatlich 1500 M |
an; ich war wie erschlagen
und bin jetzt noch sehr glücklich. Ich merke, wie die Lehr-Kurse mich langsam zerbrechen.
Nun noch
bis Anfang März; dann ist das meiste, und bis Mitte März, dann ist alles zu Ende;
und dann kann ich
arbeiten, kann wirklich nichts als Bücher schreiben, dicke und dünne. Ist das nicht
ungeheuer beglückend?
Ich würde jetzt keinen Wert auf Marburg legen, sondern viel lieberzu hier bleiben und mit Dir zusammen
sein. Ich bin jetzt bereit, innerlich und äußerlich; ich bin ganz auf Dich gerichtet.
– Hannah, ich
messe den Wert und die Größe meines Lebens nach der Intensität Deiner Liebe zu mir.
Du bist meine Größe
und mein Wert! Denn Du bist die Stätte, an der für mich wieder und wieder die Gnade
durchbricht. Du
bist für mich tägliche Offenbarung. Du bist nie neben einer Sache, sondern immer in
allen; Du bist einfach
da; und das ist alles.