Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 27. September 1906

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Der editierte Text

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a. 27. IX. 06.
Liebes b!

Für Deinen lb. Geburtstagsbrief1 danke ich Dir herzlich. Da Du darin über großen [sic!] Schweigsamkeit der lb. Brüder klagst, so will ich auch gleich antworten. Also Deine lb. Worte haben mich sehr gefreut u. es ist mir eine große Beruhigung, an Dir einen treuen Waffenfreund für das nächste Semester zu haben. Daß Du Dich nochmal recht erholst, freut mich, nun bist also wieder ein sandwühlendes problemewälzendes Lebewesen, hoffentlich erbarmt sich das Wetter u. Du bekommst noch recht schöne Tage.

Ich bin seit 2 Wochen zu Hause, dh. in c, gleich nach meiner Ankunft gieng ich nach d, wo ich meine kl. Nichte | eifrig wiegte. Es ist ein zu liebes Ding u. wenn man ein so hupfendes, rutschendes Wesen in seinem Paradieseszustand betrachtet u. denkt was es noch Alles auszuhalten hat u. was es noch Alles an Freude u. Leide erleben wird, so wird man wehmütig u. fröhlich zugleich. Es ist doch das größte Wunder, daß ein solch hilflos zappelndes Geschöpf mehr wert ist als die ganze schöne, unermeßlich große Welt. Du siehst ich habe richtig philosophiert, als ich das kl. Mädel in den Schlaf wiegte.

In e war es vollends recht schön u. es war mir der Abschittied von meinen lb. Jungens beinahe schwer.2 Es ist ja eine andere Liebe, die man zu solchen armen Geschöpfen hat, eine ganz von Sympathie losgelöste, es war mir eine Wonne dort g zu lesen u. sich an den [sic!] albernen Geschwätz zu erbauen. Wenn h eine Zeit lang in i Hosen geputzt hätte, hätte er nicht | so geistreich von den Viel zu Vielen geschrieben. Denn von seinem Standpunkt sind meine lb. Jungens sich Viel zu Viele u. für mich waren sie so wichtig.

Du scheinst Dich auch hauptsächlich an das NT. gemacht zu haben, das ist auch meine Hauptarbeit, so weit ich zu einer komme u. meine Hauptarbeitfreude. Zu meinem Geburtstag bekam ich besonders einige Schlatterkommentare: Galaterbrief, Johannesev., Markus u. Lukas, u. Mathäus. So will ich mich nun vollends ganz verschlattern. Daß er auch Dir gefällt freut mich, er hat etwas so urkräftiges, Sein Wort: "Daß Gott einen kranken Fuß heilen kann glauben wir gerne, aber daß er unsern armen verwirrten Kopf zu Stande bringen kann, glauben wir nicht," ist mir schon oft ein Trost in dem Wirrwarr u. Schwierigkeit gewesen, die nun scheints einmal Theologenlos sind. Doch Du bist ja gründlicher.| Dir hilft ein solches hupfendes Tröstchen nicht. Aber wenn auch nicht in dieser Form, so mußt Du doch wohl auch Dein problemewälzendes Oberhaupt zur Ruhe bringen u. suchen: Stille zu sein in Gott. (Weißt noch auf der j).

Auf der Heimfahrt machte ich eine wunderschöne Rheinreise. Doch möchte ich dir nimmer viel davon erzählen, sondern auf Mündliches aufsparen. Dir u. besonders deinem lb. k wünsche ich recht gute Erholung; Dein verehrtes l, bitte ich, zu grüßen, bei m mich zu empfehlen.

Es grüßt Dich herzlich
Dein tr. n

Ich sende den Brief nach o, da ich Deine Adresse in p nicht weiß


Fußnoten, Anmerkungen

1Nicht überliefert.
2Vgl. f.

Register

aStuttgart
bTillich, Paul
cSchwaben
dHolzgerlingen
eBielefeld
fBrief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 21. August 1906
gNietzsche, Friedrich
hNietzsche, Friedrich
iBethel
jPeißnitzinsel
kTillich, Johannes Oskar
lFritz, Johanna
mWinkler, Toni
nFritz, Alfred
oBerlin
pMisdroy

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/143(10)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Stuttgart - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Postkarte von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 5. September 1906
nächster Brief in der Korrespondenz
Postkarte von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 23. Dezember 1906

Entitäten

Personen

Orte

Briefe

Zitiervorschlag

Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 27. September 1906, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00125.html, Zugriff am ????.

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L00125.pdf