Brief von Gottfried von Hanffstengel an Paul Tillich vom 22. September 1906

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Der editierte Text

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a, 22.IX.06.
Liebes b!

Habe herzlichen Dank für Deinen lieben Brief1, der mir zwar durch seine äußere Form manches Rätsel aufgegeben, mich im übrigen aber sehr erfreut u angespornt hat. Zunächst also mein Unterhaltungsabend.2 Nach einer kurzen Einleitung u Erklärung der 3 Arten von Schulen werde ich erste [sic!] die konfessionslose Schule, dann die Simultanschule absägen, u die Konfessionelle Schule als das gegebene hinstellen. Wird das aber genügen, um eine| längere Debatte daran anzuknüpfen. Mir ist auch zweifelhaft, wie ob mein eigener Vortrag lang genug sein wird, ich rechne 15-20 Minuten. Ich glaube ferner, daß der Referent bei der Debatte nicht so sehr in den Vordergrund treten muß, damit sich auch die übrigen mehr beteiligen. Ein anderer Punkt in der Schulfrage beschäftigt mich auch lebhaft, das ist die Frage nach der Schulverwaltung, worin jetzt ziemlich schlechte u unregelmäßige Zustände herrschen. Wie wäre das, wenn ich das noch hinzufügte. Sonst würde ich vielleicht einen selbständigen| Unterhaltungsabend daraus machen. Befaßt habe ich mich auch mit der Frage einer eventuellen Scheidung von Staat u Kirche, vielleicht ließe sich das verarbeiten. Ob ich den Unterhaltungsabend zuerst halten kann ist mir zum mindesten fraglich, ferner möchte ich auch erst einen mir ansehen, um mich etwas danach zu richten.

Seit etwa einer Woche gibt es in Ostfriesland auch 2 Kanditaten der Theologie d u e. Näheres habe ich auch noch nicht erfahren.

Von Montag bis Donnerstag habe ich mal ordentlich gefaulenzt, u zwar hatte ich dazu| sogar eine moralische Verpflichtung, da ich Besuch von f hatte. Mit Wir beide sind nun hier ziemlich viel herumgestreift in der Gegend, obwohl es schauderbares Wetter war. Jetzt, wo er weg ist, ist es natürlich wieder fein. g war sehr vergnügt u zeigte sich von seiner besten Seite, besondere Freundschaft hat er mit meinem 11 jährigen h, genannt "Kneiptanz" oder "Salem", geschlossen.

Geht i vielleicht Ende September wieder nach j? Daß Du ihr in k sehr seine Collegs u Seminare, auch seine Bücher genau durchstudierst, um ihn| zu kritisieren u ihm was schlechtes anzuhängen, wußte ich wohl, aber daß Du ihn auch in das eigens zur Erholung aufgesuchte Seebad verfolgtest, um ihn auf Schritt u Tritt zu aufzupassen, wußte ich bisher noch nicht. Hoffentlich hast Du ihn in l häufig getroffen, wenn Du es auch nicht erwähntest. Oder läßt er Dich nicht in Ruhe?

Mit m zusammen habe ich auch ziemlich viel Obst abgenommen, eine Tätigkeit, die besonders angenehm ist, da sie ohne Beaufsichtigung erfolgen kann. Das hat sich bei mir gründlich gerächt,: seit 3 Tagen leide ich an einem gewaltigen Prolaps, sodaß ich mich| beständig wandern muß. Jetzt wird's etwas besser.

Daß ich in meinem Heimatsort n war, wirst Du gesehen haben. Fast hätte ich Lust, den Unterhaltungsabend darüber wieder aufzunehmen, aber nein, es geht doch nicht. Großartig war es, eine Kunstausstellung ist da, die sich sehen lassen kann neben jeder. Einige wunderschöne Karten habe ich mir mitgenommen, in o kannst Du sie bewundern.

Woher soll ich die Zeit nehmen, noch neuere Philosophie zu arbeiten, zumal mir dazu die Bücher fehlen. Allerdings hoffe ich von meinem p nächstens zum| Geburtstag Bücher noch zu bekommen, aber ob es ihm nicht zu viel werden wird. Dann schaffe ich mir den q im Semester an.

Woher hast Du diese schönen Couleurbriefbogen? Hast Du ein Amt, für das Du sie bekommst? oder geht Deine Wingolfsbegeisterung so weit, daß Du nur alle Deine Sachen mit Wappen u Zirkel bemalst? Hast du vielleicht auch in allen Büchern Deinen Zirkel. Ich schätze sowas eigentlich ziemlich daneben.

r Lob hörte ich jüngst von einem Göttinger in den höchsten Tönen singen, sein Vortrag soll interessant u lehrreich| dabei auch sehr leicht verständlich sein.

Gern würde ich noch weiter mit Dir plaudern, doch sogleich kommt mein jüngerer Bruder aus s, daher Schluß.

Vale!
Dein t.

Fußnoten, Anmerkungen

1Nicht überliefert.
2In c

Register

aBremervörde
bTillich, Paul
cBrief von Gottfried von Hanffstengel an Paul Tillich vom 7. September 1906
dElbrechts, ???
eVoget, Hans
fBertheau, Lorenz
gBertheau, Lorenz
hHanffstengel, Karl von
iLütgert, Wilhelm
jMisdroy
kHalle (Saale)
lMisdroy
mBertheau, Lorenz
nWorpswede
oHalle (Saale)
qWindelband, Wilhelm
rKattenbusch, Ferdinand
sStade
tHanffstengel, Gottfried von

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/147
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Bremervörde - unbekannt
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Entitäten

Personen

Orte

Briefe

Zitiervorschlag

Brief von Gottfried von Hanffstengel an Paul Tillich vom 22. September 1906, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00124.html, Zugriff am ????.

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L00124.pdf