Brief von Hermann Schafft an Paul Tillich vom 7. September 1906

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Der editierte Text

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Mein lieber Junge (Details anzeigen)!

Vor mir sämmtliche Kirchenväter bis auf Hilarius (Details anzeigen)... grüße ich Dich an meinem massiven Stehpult stehend – fehlt nur noch Sammetjacke – als freiwilliger Mitarbeiter für Anstellung positiver Licentiaten durch den O K.R. – mit gebührender Ehrfurcht –

πρωτον μεν ευχαριστω1 für Deinen Brief2 mit der zarten Glosse am Schluß, die ein späterer Exeget Deiner Briefe – ich denke daran, wie wir es augenblicklich mit denen von Firmilian v. Caeserea (Details anzeigen) machen – sicherlich für unecht erklärt, da| die bescheidene Anfrage nach dem Einschnappen zu dem sonstigen frechen Ton nicht paßt. – Mir ist in der ganzen Dogmengeschichte – Firmilian (Details anzeigen) und etwa den Presbyter – „Malchion (Details anzeigen)“ abgerechnet, – noch keine ähnliche Art vorgekommen.

Und nun gar das kirchenpolitische Manöver. Zänker (Details anzeigen) verlegt in den Beiträgen – ist einigermaßen positiv, obwohl er ganz froh war in Erlangen, auf die Bekenntnisse (F C {¿¿¿} Caput pp.) nicht quia sondern quatenus verpflichtet zu werden. Seine Arbeit war autant que je sais Kirchengeschichtlich. Im übrigen hat er sich wohl viel mit der altlutherschen Orthodoxie herumgeschlagen.| Er ist in Godesberg (Details anzeigen) glücklich verheiratet. Seine Frau (Details anzeigen) kenne ich nur dem Namen nach. –

Na, genug des Kaddelns –

Also: positiv, abkömmlich, – Lic in Erlangen (Details anzeigen), begabt, – weder moderne positive Theologie, noch Theologie des alten Glaubens sondern Hallenser z. T. Schmuel (Details anzeigen)-Kremer (Details anzeigen) Schlatter (Details anzeigen). – Natürlich, alles soweit ich ihn kenne! Jedenfalls diesseits des Glaubens cf. seine Aufstellung gegen den liberalen Römer. –

Doch davon genug! Ein wenig noch zu Dir. – Deine Arbeit macht mir von ferne Freude; nur bitte ich Dich energisch, mir Deine neue Rechtfertigungslehre schleunig mitzuteilen. Mit solcher oberflächlichen Eleganz Schmul (Details anzeigen) abtun – kann| jeder. Bitte aber dringend um die Position àla Paul T (Details anzeigen):.. – Ich habe zu solchen Tiefen keine Zeit. Das wirst Du an meiner Arbeit deutlich merken. Zu einem vorherigen Durcharbeiten des Epheserbriefes rate ich dir in meinem Interesse nicht. – Fast freue ich mich, wenn ich Dich etwas mit Nachschlagen quälen kann. – Heute hat meine Mutter (Details anzeigen) einige Tage von den gräßlichsten Schmerzen geplagt sich einige Zähne reißen lassen – (in Narkose – ) Menschenskind wie habe ich an Dich denken müssen. – Ein Häufchen Unglück lagst Du vor mir damals vor der Metzelei in Tübingen (Details anzeigen). Eigentlich mußt Du sehr dankbar sein für das verflossene Lebensjahr!3 Laß Dich aber doch hin u. wieder untersuchen. So ganz sorglos zu sein, ist nicht recht.| Im übrigen ist's mit meiner Mutter (Details anzeigen) pp. gut gegangen – freilich hat sie noch Fieber. – Daß Dir der x4 – reizende Karten schreibt, ist ja sehr nett – mir hat er auch eine geschrieben, worauf er mitteilt, daß er statt über mich zu reisen – den Rheinweg wählt. Na schön.. Dafür kommt Daniel Schubert (Details anzeigen). Meine Arbeiten – ach Paulchen (Details anzeigen) – Na ich freue mich auf die entlegene Bude.. Heute Nacht komme ich nicht vor 2 in die Falle. Es wird Birnenmuß gerührt. So könntest du [Darstellung: Hermann Schafft rührt in einem großen Kessel.] mich vor unserem Waschkessel in dem die Birnen brodeln rührend im wahrsten Sinne stehen sehen. S' wär noch netter wie ein Bummel, das gemeinsam tun zu| können. Die Nachtstunden streichen langsam dahin – herrliche Düfte aus dem Kessel umgaukeln die Nase – dazu dann träumt man allerlei Zwangsvorstellungen durch das immer gerührter werdende Mus veranlaßt. –

Ja, überhaupt mein Junge, Dir wäre es viel besser statt in so abgelebten Bädern herumzukultivieren mal hier Landbrot zu essen u. Milch zu trinken – in den Wäldern – nicht nur im Gärtchen zu leben etc. Wenn ich mein Examen bestehen sollte – mußt Du mal hier her. Du wirst dann von mir zu dem Deinigen eingepauckt.| Im übrigen bist Du dann – übers Jahr 7tes Semester!! – Wenn ich denke, daß ich 8tes bin so graut mir ganz entsetzlich. Es müssen Wunder geschehen. –

Die Historiografie habe ich dankend erhalten – u. pflichtschuldigst korrigiert.5 NB sind hoffentlich die Schlatterpredigten bei Dir angekommen? Von dem X und mir, in aller Bescheidenheit δόσις ὀλίγη τε φίλη. – Beinahe hätte ich Dir noch ein Bild der Laokoongruppe zugeschenkt. Der Geburtstag des ersten schwäbischen {Kaisers} auf sächsischem {Thron} ist am 26 September. – Nun ist – wo Du das weißt – die Hauptspannung Deinerseits auf diesen Brief (exegetisch berechtigter Schluß nach deinen sogen. „Briefen“.)| gelöst – und ich kann billig aufhören. Wie ists mit deinem neuen Menschen aber – κατὰ σάρκα (Fast Seebergsches (Details anzeigen) Paradoxon) – läufst Du nun immer in Deinem Extrem herum d.h. Frack pp?? oder ist in das schön geschmückte Haus der alte Teufel mit 7 Geistern seiner Art behaglich zurückgekehrt... Was kann ich Armer Examenskandidat dann noch tun – hoffentlich hast Du Mitleid und kommst recht geschraubt und geölt nach Ha (Details anzeigen)! – Gestern war D {Eike} (Details anzeigen) (Bonn (Details anzeigen)) hier, wollte mit mir kirchengeschichtlich sich unterhalten – nb. weißt Du (silentium!!!) vielleicht irgend einen liberalen Licentiaten – ich meine.... na – also – wegen bestimmter Zwecke.... die {Eike} (Details anzeigen) u. ich gemeinsam verfolgen.... Na, lieber L Paul (Details anzeigen), nun schreib' mir bitte schnell mal einen reizenden Brief, damit ich sehe, daß Du mich ein bisschen bemitleidest oder so was ähnliches... Dazu: Themen für die Arbeit fällig in 14-21 Tagen. Meine neue „Ref. lehre“ v. P Till. (Details anzeigen).

Leb' wohl mein boy (Details anzeigen)! Mensch denk' an Tübingen (Details anzeigen) u. sei dankbar! Was haben wir's so gut

Dein tr. Herm (Details anzeigen)

PS 1¼ h: eben vom Rühren kommend noch gute Nacht – habe deinen Dickens in Auswahl vorgelesen: Podsnapperei (Details anzeigen) u. {¿¿¿} (glänzend!)


Fußnoten, Anmerkungen

1Zunächst einmal vielen Dank
2Nicht überliefert.
3Paul Tillich hatte sich während des Sommersemesters 1905 in Tübingen zwei Ohrenoperationen unterziehen müssen. Patientenakten aus diesem Zeitraum sind nicht erhalten.
4Als X bezeichnet man einen Erstchargierten oder Senior. Der X fungiert als Sprecher der Verbindung. Im Sommersemester 1906 hatte im Hallenser Wingolf Hermann Witte (Details anzeigen) diese Funktion inne.
5Hermann Schafft bezieht sich auf ein nicht überliefertes Antwortschreiben auf seinen Brief an Paul Tillich vom 26. August 1906 (Details anzeigen).

Register

aHersfeld
bTillich, Paul
cHilarius von Poitiers
dFirmilian
eFirmilian
fMalchion
gZänker, Otto
hGodesberg
iZänker, Luise (geb. Bansa)
jErlangen
kLütgert, Wilhelm
lCremer, Hermann
mSchlatter, Adolf
nLütgert, Wilhelm
oTillich, Paul
pSchafft, Johanna
qTübingen
rSchafft, Johanna
sWitte, Hermann
tSchubert, Daniel
uTillich, Paul
vBrief von Hermann Schafft an Paul Tillich vom 26. August 1906
wSeeberg, Reinhold
xHalle (Saale)
yEike, D.
zBonn
aaEike, D.
abTillich, Paul
acTillich, Paul
adTillich, Paul
aeTübingen
afSchafft, Hermann
agDickens, Sämmtliche Werke: Aus dem Englischen. Unser gemeinsamer Freund, 1870

Überlieferung

Signatur
Deutschland, Marburg, Philipps-Universität Marburg, Deutsches Paul-Tillich-Archiv, 008G
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Hersfeld - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Hermann Schafft an Paul Tillich vom 26. August 1906
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Herrmann Schafft an Paul Tillich vom 10. März 1907

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Briefe

Zitiervorschlag

Brief von Hermann Schafft an Paul Tillich vom 7. September 1906, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00123.html, Zugriff am ????.

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