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d. 29.3.33

Lieber Herr Barth!

Eben erhalte ich von K.L.S. aus Jena ein Zitat von Ihnen: "Über die Ideologie Tillichs bin ich einfach starr"1]. Offenbar beziet sich dieser Satz auf das Gespräch, das ich mit S. am Sonnabend abend hatte über die Stellung der Beamten zur S.P.D. Wie Sie an S. schreiben, sind Sie entschlossen, einer Forderung auf Austritt aus der SPD nicht nachzugehen, d.h. im Zweifelsfall ihre Stellung als preussischer Beamter aufzugeben

Dieser Auffassung steht nicht etwa eine Privatideologie von mir gegenüber, sondern die Auffassung der Partei selbst sowohl in den zentralen wie in den lokalen Instanzen. Die Partei wünscht nicht, dass ihre Beamten ihre Beamtenqualität der Zugehörigkeit zur Partei opfern. Soviel ich sehe, liegen zwei Gründe dafür vor, einmal der, dass die Partei den tatsächlichen Einfluss der Beamten in ihren Stellungen für wesentlich wichtiger hält als das formale Bekenntnis zur Partei. In bestimmten mir bekannten Fällen hat sich das auch schon sehr konkret gezeigt. Andererseits habe ich den Eindruck, dass die Partei nach dem endgültigen Verbot ihrer Presse sich in ihrer manifesten Form in Liquidation befindet. Da sie diese Form nicht mehr als das angemessene Mittel, den Sozialismus zu vertreten, ansieht. Dies alles, ich betone das ausdrücklich, ist nicht meine Ideologie, sondern Auffassung und Verhaltungsweise der Partei selbst.

Unter diesen Umständen besteht bei meinen Frankfurter Freunden (auch Hamburger, Berliner usw.) vor allem auch bei solchen, die von Anfang an der S.P.D. angehört haben, die Auffassung, dass die Zugehörigkeit zur Partei nicht zum punctum Confessionis gemacht werden dürfe. Auch hier handelt es sich nicht um eine Ideologie von mir, sondern um die unmittelbare taktische Reaktion der Politiker unter uns. Die Lage wird in dem Augenblick anders, wo uns ein Revers vorgelegt wird, der eine inhaltliche Bindung verlangt. In diesem Augenblick würde selbstverständlich genau so wie in Italien die Bekenntnispflicht eintreten.

Ich hoffe, dass Ihnen nach dieser Darlegung des Sachverhaltes meine Stellungnahme nicht so unverständlich und ideologisch erscheint, wie auf Grund des Berichtes von S. Andererseits verstehe ich Ihre Auffassung. Der Gedanke einer Zusammenkunft der S.P.D.professoren ist in unserem Wunsch begründet, die beiderseitigen Auffassungen kennen zu lernen und wenn irgend möglich zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen. Ich würde es sehr bedauern, wenn Sie an einer solchen Besprechung nicht teilnehmen könnten.

Ende der Woche will ich nach Berlin fahren und hoffe, bei der Gelegenheit mich auch materialiter orientieren zu können. Vielleicht ist dann eine Besprechung mit Ihnen, wenn auch im kleinsten Kreise, noch möglich.

Mit herzlichem Gruss
Ihr
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    • Barth, Karl, Briefe des Jahres 1933, hg. von Eberhard Busch, Zürich 2004.