Der editierte Text

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a, 16. April 1932.
Lieber b!

Deine Zusendungen1 habe ich alle bekommen, zum Teil sind sie mir nach c nachgeschickt worden, wo ich zwischen den zwei Dekanatssemestern mich etwas verpustet habe. Ich schicke sie Dir anbei zurück und verspreche Dir, so bald es irgend möglich ist, an den Aufsatz in den Kantstudien heranzugehen.2 Aber meine Ueberlastung ist fast zu groß, um etwas versprechen zu können.

Dein heutiger Brief3 hat mich sehr ergriffen. Ich finde Deinen Schritt4 höchst anständig und konsequent, und glaube, daß er Dir seelisch wie jede wirkliche Tat sehr viel nützen und Dich auch geistig befruchten wird. Von uns dreien, j, Dir und mir, steht nun keiner mehr im unmittelbaren Kirchendienst; doch finde ich, daß wir beide keinen Augenblick vergessen sollten, daß wir letztlich dem in der Kirche Gemeinten und Verfälschtem zu dienen haben. Und das tust Du ja auch mit Deinem k.

Selbstverständlich werde ich alles tun, um Dir zu helfen. Doch ist das augenblicklich sehr wenig. Seit Weihnachten haben auch meine Vorträge völlig aufgehört. Hast Du keine Beziehungen zum Rundfunk? Freilich bringt auch das nicht viel ein. Was die pädagogischen Akademien betrifft, so ist ja nach Abschaffung von 7 Akademien keinerlei Möglichkeit von Neueinstellungen. Erst müssen alle andern untergebracht sein. Das Beste wäre, wenn Du Deine Position in l weiter ausbauen würdest. Nachdem Du den| Lehrauftrag für die Lehrerstudenten bekommen hast, muß das doch möglich sein. Oder ist der in Folge Deiner Amtsniederlegung illusorisch geworden?

Ueberhaupt wäre ich Dir dankbar für einige Mitteilungen über die praktische Situation. Wie ist es überhaupt rechtlich möglich, daß Du 60% Deiner Bezüge behältst, da Du doch noch nicht pensionsberechtigt bist? Gibt es einen solchen Paragraphen bei Euch? Wo werdet Ihr wohnen? Was gedenkst Du sonst zu tun? Schreibe mir doch einmal einen ausführlicheren Brief.

In Treue
Dein
m

Grüße n, deren Tapferkeit ich bewunde[re]


Fußnoten, Anmerkungen

1Liegen nicht vor.
2Gemeint ist vermutlich d Aufsatz "e", in welchem der Verfasser f Arbeit über "g" als "bedeutendes und eindrucksvolles Buch" würdigt (ebd., S. 22, Anm. 1).
3Liegt nicht vor.
4h hatte im April 1932 sein Pastorenamt niedergelegt und hatte sich in den Ruhestand versetzen lassen. Er berief sich dabei auf die entsprechende Möglichkeit laut Verfassung der Evangelisch-lutherischen Kirche im Hamburgischen Staate, "wenn sich der Geistliche aus Gewissensgründen nicht mehr imstande sieht, die mit dem Amtsgelübde übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen" (i).

Register

aFrankfurt am Main
bLeese, Kurt
cMentone
dLiebert, Arthur
eLiebert, Goethes Platonismus, 1932
fLeese, Kurt
gLeese, Die Krisis und Wende des christlichen Geistes. Studien zum anthropologische..., 1932
hLeese, Kurt
io.A., Verfassung der Evangelisch-lutherischen Kirche im Hamburgischen Staate vom ..., 1923
jWegener, Carl Richard
kLeese, Die Krisis und Wende des christlichen Geistes. Studien zum anthropologische..., 1932
lHamburg
mTillich, Paul
nLeese, Minna Margarethe

Überlieferung

Signatur
Germany, Privatbesitz Hans-Joachim Mähl
Typ

Brief, maschinenschriftlich

Postweg
Frankfurt a. M. - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Kurt Leese an Paul Tillich vom 17. Juli 1913
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Kurt Leese vom 20. Februar 1933

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Kurt Leese vom 16. April 1932, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L01136.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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L01136.pdf