Der editierte Text

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21. Mai 19311

Lieber Herr Tillich (Details anzeigen)!

Ich komme heute mit einer diskreten Bitte zu Ihnen, die Sie vielleicht gelegentlich bei dem Ihnen befreundeten Herrn Uhlig (Details anzeigen), den ich nur oberflächlich kenne, unterbreiten könnten.

Wie ich höre, wünscht Herr Rückert (Details anzeigen) in Leipzig (Details anzeigen) zu seinem Nachfolger einen Privatdozenten Vogelsang (Details anzeigen) aus Königsberg (Details anzeigen), der zwar eine brauchbare Dissertation über Lutherische Christologie (Details anzeigen) geschrieben hat, der aber sicher aus ebenso dürrem Holz wie Rückert (Details anzeigen) selbst geschnitzt ist. Ich würde es sehr bedauern, wenn aus reinen Schulgesichtspunkten ein so blutiger Anfänger auf einen der grossen Lehrstühle meines Faches berufen werden würde. Soviel man gegen ältere Gelehrte wie Hermelink (Details anzeigen), Zscharnack (Details anzeigen) oder Kohlmeyer (Details anzeigen) einzuwenden vermag, so sehr würde ich doch jedem einzelnen von diesen den Vorzug geben vor einem Anfänger, dessen zukünftige Entwicklung ebenfalls keine glänzende sein wird, und wenn man in Leipzig (Details anzeigen) an Herrn Vogelsang (Details anzeigen) denkt, so ist das zum mindesten auch eine Ungerechtigkeit gegenüber dem hiesigen Privatdozenten Dress (Details anzeigen), der älter als sein Königsberger (Details anzeigen) Konkurrent (Details anzeigen) und zugleich universaler begabt ist. Verzeihen Sie, dass ich Sie mit dieser Sache behellige, da ich aber von Leipzig (Details anzeigen) nicht gefragt bin, sondern da doch alles innerhalb der Schule Hirsch (Details anzeigen)-Rückert (Details anzeigen)-Lietzmann (Details anzeigen) abgemacht wird, so möchte ich auch nicht direkt an einen der Leipziger Kollegen schreiben, möchte aber gern, dass diese Meinung in irgend einer Form von Ihnen bei der entscheidenden Instanz zur Geltung gebracht wird.

Es hat mir sehr leid getan, dass wir uns im März nicht getroffen haben. Ich hätte mich gern wieder mit Ihnen unterhalten zumal, da ich Ihre Ablehnung von Halle (Details anzeigen) sehr gut verstehen kann.2 Ich denke doch, dass diese Absage keine universale Absage an die Theologie überhaupt gewesen ist.

Mit den herzlichsten Grüssen bitte auch an Ihre Frau Gemahlin (Details anzeigen) bin ich
Ihr3


Fußnoten, Anmerkungen

1Erklärende Anmerkungen zu vorliegendem Brief wurden (ggf. geringfügig abgewandelt) aus seiner Erstveröffentlichung übernommen.
2Tillich hatte am 20. März 1931 den Ruf an eine Systematische Professur in Halle abgelehnt.
3Unterschrift fehlt, da Briefdurchschlag.

Register

aTillich, Paul
bUlich, Robert
cRückert, Hanns
dLeipzig
eVogelsang, Erich
fKaliningrad (Königsberg)
gVogelsang, Die Anfänge von Luthers Christologie nach der ersten Psalmenvorlesung, 1929
hRückert, Hanns
iHermelink, Heinrich
jZscharnack, Leopold
kKohlmeyer, Ernst
lLeipzig
mVogelsang, Erich
nDreß, Walter
oKaliningrad (Königsberg)
pVogelsang, Erich
qLeipzig
rHirsch, Emanuel
sRückert, Hanns
tLietzmann, Hans
uHalle (Saale)
vTillich, Hannah

Überlieferung

Signatur
Deutschland, Koblenz, Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Reinhold und Erich Seeberg, N 1248
Typ

Briefdurchschlag, maschinenschriftlich

Postweg
unbekannt - Frankfurt a. M.
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Erich Seeberg vom 6. Oktober 1929
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Erich Seeberg vom 24. November 1932

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Zitiervorschlag

Brief von Erich Seeberg an Paul Tillich vom 21. Mai 1931, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L01105.html, Zugriff am ????.

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