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Dresden, Elisenstr. 11. d. 2. Dez.19281]

Lieber Herr Seeberg!

Gestern teilte mir unser Hochschulreferent, mit dem ich nahe befreundet bin, mit, dass Minister Becker ihm gesprächsweise gesagt hätte, seine Absicht, mich in die Berliner Theologische Fakultät zu bringen, wäre an dem Entschluss des E.vangelischen O.ber K.irchenrats2], mich nicht zu bestätigen, gescheitert.3] Damit ist die tiefe Spannung, in der ich seit Pfingsten mich befinde, gelöst. Das ist eine Erlösung, wenn auch eine negative. Denn ich entnehme daraus, dass eine Theologische Fakultät, zum mindesten in Alt-Preußen für mich nicht in Frage kommt. Daraus scheint mir die Notwendigkeit für mich zu folgen, die Stellung, die ich in meinen Briefen an Sie und Deißmann4] gekennzeichnet habe, zwar nicht innerlich, wohl aber der Arbeitsrichtung nach zu verlassen und mich einseitig der Philosophie zuzuwenden. Bemerkungen, die Becker gleichzeitig über Absichten machte, die er mit mir vorhätte, deuten in die gleiche Richtung. Natürlich bedeutet das, wenn ich richtig gesehen habe, eine schwere Krise für mich. Ich wäre Ihnen darum dankbar, wenn sie mir, vielleicht auf Grund einer Unterhaltung mit Richter*, mitteilten, ob ich die Lage richtig beurteile.

Besonders Leid tut es mir, dass auf diese Weise die erhoffte Zusammenarbeit mit Ihnen nicht Wirklichkeit werden kann. Jedenfalls danke ich Ihnen sehr herzlich für Ihre Bemühungen um mich, zumal sie nicht ohne Gefährdung Ihrer eignen Position geschehen sind. Da ich Ende der Woche auf eine etwa 8tägige Vortragsreise gehe, so wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn ich Ihre Antwort noch vorher erhielte.

Mit Dank und Gruß
Ihr
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    • Sturm, Erdmann (Hg.), "Vielleicht kommen wir nun doch zu einer gemeinsamen Arbeit in Berlin". Paul Tillichs Briefe an Reinhold und Erich Seeberg (1924-1935), in: in: Theology and Natural Science. Hg. zus. mit Christian Danz, Marc Dumas, Werner Schüßler und Mary Ann Stenger (= International Yearbook for Tillich Research, Vol. 7, 2012), Berlin/Boston 2012, 211–253