Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich vom 22. September 1926

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Der editierte Text

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d. 22ten
Liebste a!

Nun ist endlich ungefähr zu übersehen, wann ich komme. Ich muß nach 2 Monaten zurück, sonst kostet es 50M. Also am 1. oder 2. August |:Oktober:| muß ich abfahren. Dann will ich eine Nacht bei b in c bleiben und die Gesolei1 ansehen; also am 3 oder 4. in d. Genaues telegraphiere ich noch von| e aus. Es ist schwer, f zu verlassen, aber es ist leicht und schön und befriedigend, nach Haus zu kommen zu Dir und g.

Und eine Bitte, die mehr ist als eine Bitte: Sei allein wenn ich komme und nicht nur an dem Abend, sondern ein paar Tage vorher und nachher. Ich will zu Dir kommen, nur zu Dir, und dann erst h – der das verstehen wird – und alle andern. Ich sehne mich nach Dir und nur nach Dir – – –|

Vorgestern war ich mit i zusammen. Wir dinierten für etwa 30M in den Champs-Elysees dann führte ich sie durch Mont-Martre und Montparnasse. Es war wirklich sehr nett. Er sehr lebendig und aufgeschlossen. Den Brief2 habe ich ihr gestern abgegeben mit einigen Randglossen zur Astrologie. Sehen werde ich sie kaum mehr. Gestern Abend mit j (Commeniusstr) und k und l im Carmen. Ganz herrlich; zu Logen| plätzen eingeladen.

Gestern die ersten Einkäufe mit m: Mantel für Dich und mich, Hut für Dich und mich, zusammen 9{7}M!! Mein Mantel ist zweireihig, schwarz-grau, weit und etwas Taille. Wir sind alle drei (auch n als Schiedsrichter[)] sehr zufrieden (65M). Dann eine komische Sache, Dein Mantel in einem Warenhausausverkauf auf offner Straße für 12M mit Pelzkragen, rotbraun für einen Winter, glaube ich, sehr brauchbar, sonst als Scherzartikel zu benutzen. Für mich einen groß-krempigen schwarz-grauen Hut und aus sehr gutem Stoff. Endlich| für Dich einen Hut aus grünem Seidenstoff in sehr schöner Farbe, zusammen etwa 20M. Es sind also noch 100M für Anzug und Kleid übrig, und wir sitzen jetzt im Kaffee um uns für diese Probleme zu stärken.

Vorvorgestern waren wir in einem Boulevardtheater, jüdisch-politisch, wo man uns für Amerikaner hielt. Doch ich habe wohl schon davon erzählt.

Heut habe ich mittelalterliche Plastik besichtigt und habe mich um den Sinn der archaischen Verschlossenheit bemüht. Sie| ist sehr schwer zu durchschauen. Ich möchte sie von meinem Begriff der "Verschlossenheit Gottes" aus deuten.3 Diese Wesen repräsentieren in ihrer Verschlossenheit das unbedingte Verschlossene (das Lächeln der Huld und Holdseligkeit zeigt daß die Verschlossenheit nicht Abschließung ist). Warum haben unsere Gesichter nichts mehr davon? Wir sind höchstens verstockt, verbittert oder drgl. aber nie Träger gottheitlicher Verschlossenheit. – – – Die Verdrängung macht eine Straße, einen Baum, eine Maschine zum Gegenstand, den man "streicheln" möchte. Sie läßt das innere Feuer alles Seins aufleuchten!

In Freude aufs Wiedersehen
Dein
p

Fußnoten, Anmerkungen

1Eine Ausstellung in Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen.
2Dieser Brief liegt nicht vor.
3Vgl. z.B. o.

Register

aTillich, Hannah
bSimons, Hans
cDüsseldorf
dDresden
eDüsseldorf
fParis
gFarris, Erdmuthe
hGoesch, Heinrich
i???, Nora
jBondi, Felix
kKaden, Lalla
lvon Sydow, Eckart
mJessen, Malla
nvon Sydow, Eckart
oTillich, Dogmatik-Vorlesung (Dresden 1925-1927), 2005
pTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Hannah. Papers, 1896-1976., bMS 721/2(23)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Paris - unbekannt
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Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich vom 22. September 1926, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00908.html, Zugriff am ????.

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