Der editierte Text

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D. 15. Nov. 1917.
Liebe a!

Dein Wohnungswechsel hat mich sehr überrascht. Wie kommst Du nur mit b aus? Für Dich ist es ja sicher viel netter, als die vielen Nöte in c weiter durchzuleben, und wohl auch für die ruhige Konzentration notwendig; immerhin würde es mich einigermaßen interessieren, wie die beiden sind, über die ich nun auf indirektem Wege schon so vieles gehört habe. – – – Über Deine Arbeitsleistung staune ich; ich weiß nicht, ob ich das noch schaffen würde. Überarbeite Dich nur nicht. So Eile hat es doch wohl nicht – – – In den 4 Tagen Urlaub war es wirklich nicht möglich, uns zu sehen; ich kam ganz erschöpft hierher zurück. Übrigens hatte ich auf der Hochzeit den allgemei| nen Eindruck einer gänzlichen Abwendung von Theologie und Kirche unter der jüngeren Generation, die aus religiösen Kreisen kommt.1 Dieses war mir recht erschütternd. Zumal ein Radikalismus dahinter stand, der mich erschreckte, so ähnlich wie er auch aus Deinem Brief2 hervorgeht! – Hast Du Gelegenheit, unter Deinen Mitstudenten, resp. – –innen, zu beobachten wie die Dinge liegen, vor allem, was den Ersatz für die Religion übernommen hat. Ich vermute, es ist vielfach die Kunst; aber wie ist die psychologische Vermittlung? Denn irgendwie muss der leere Raum ja gefüllt werden. Wie steht es bei Euch Beiden z. B. damit?| Wie stellst Du Dir übrigens Deine Existenz als Pfarrfrau vor mit Deinen großstädtischen Allüren und e-haften Gedanken? Ist das nicht beinahe so schwierig, wie wenn f Dozent der Theologie werden soll? Ich kann mich natürlich vorläufig noch lange nicht entscheiden. Um Philosoph zu werden, muss man etwas leisten in der Philosophie. Und das habe ich noch kaum getan... Und dann fehlen mir alle Konnexionen. Aber g lockt....

Ich habe das Gefühl daß h über die Freundschaft zwischen i und j traurig ist, ja daß sie k l jetzt stark ne| gatives Denken m [sic!] zuschreibt. Das ist aber nicht richtig. Solchen Einfluss hat n nicht im Geringsten. Im Gegenteil, es ist schon mehrfach zwischen beiden zu heftigen Gegensätzen gekommen, weil o |:p:| dem Radikalismus von q entgegentrat. r würde sich sehr irren, wenn sie meinte, daß s irgendwie zwischen ihn und sie trat. Da waren schon ganz andere Entwicklungen in t eingetreten, die das bewirkt hatten, was u vielleicht schwer empfindet. – Dieses schreibe ich ganz von mir und nur für Dich. Doch kannst Du gelegentlich v von Dir aus in dieser Richtung die Wirklichkeit zeigen. – – – –

Sei herzlich gegrüßt und grüße w und x!
Dein tr. y.

Fußnoten, Anmerkungen

1Diese Unterstreichung ist – wie alle folgenden – wahrscheinlich von d gemacht worden.
2Liegt nicht vor.

Register

aRhine, Maria
bKühn, ???
cBerlin-Lichtenrade
dRhine, Maria
eNietzsche, Friedrich
fWegener, Carl Richard
gBerlin
hKlein, Elisabeth
iWegener, Carl Richard
jTillich, Margarete
kTillich, Margarete
lWegener, Carl Richard
mTillich, Margarete
nTillich, Margarete
oWegener, Carl Richard
pTillich, Margarete
qWegener, Carl Richard
rKlein, Elisabeth
sTillich, Margarete
tWegener, Carl Richard
uKlein, Elisabeth
vKlein, Elisabeth
wKlein, Elisabeth
xKlein, Lisa
yTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/178(9)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
unbekannt - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Maria Klein vom 14. Oktober 1917
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Maria Klein vom 5. Dezember 1917

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Maria Klein vom 15. November 1917, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00549.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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L00549.pdf