Brief von Paul Tillich an Johannes Tillich vom 12. November 1917

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Der editierte Text

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D. 12. Nov. 1917.

Lieber Papa (Details anzeigen)!

Nun denke ich, daß Du wieder in Berlin (Details anzeigen) bist, allein, und vielleicht das Alleinsein zum ersten Mal empfindend, nun, wo auch Elisabeth (Details anzeigen) – für immer – weg ist! Aber Du weißt ja, daß wir alle in Gedanken immer bei Dir sind, und in unserer Wohnung mit all ihren Erinnerungen, wo doch auch jetzt noch unser Mittelpunkt liegt. Ich würde mich ja freuen, wenn Greti (Details anzeigen) Dir etwas ersetzen könnte! Aber ich weiß, daß sie es nicht kann; sie empfindet die Unterschiede viel tiefer als die Einheiten und der Familiengeist, wie er bei uns so stark und schön ausgebildet ist, liegt ihr fern. Im Anfang war mir das wohl schmerzlich; jetzt wo ich sie ganz kenne und verstehe und liebe, ist es mir relativ unwichtig im Verhältnis zu allem übrigen. In unsern „Kreis“ ist sie nicht eigentlich gekommen, wohl aber in den Kreis, den ich schon über unsern hinaus hatte, meine Freunde, Wegener (Details anzeigen), Eckhardt (Details anzeigen), mit denen sie viel verkehrt, und die sie sehr schätzen und lieben. – – – | Die Frage: Philosophie oder Theologie bewegt mich noch immer; es kommen drei Gesichtspunkte in Betracht. Erstens der äußere, ob ein Übertritt möglich ist und welche äußeren Folgen er hätte, wozu vor allem die Möglichkeit gehört, dann statt nach Halle (Details anzeigen) nach Berlin (Details anzeigen) zu gehen. Zweitens der innere, ob ich begabt genug bin, in der Philosophie etwas zu leisten, wobei ich die ganze moderne Philosophie nachholen müßte (das zu tun ich im Begriff bin.) Drittens der innerste und schwerste, ob meine Grundüberzeugungen mich dahin oder dorthin treiben. Dabei ist mir bis jetzt nur das eine klar, daß ich noch in ganz anderem Maße philosophisch zur Klärung gekommen sein muß, ehe ich es wagen kann, theologisch etwas Entscheidendes zu sagen. And{erer}seits ist mein letztes Interesse nicht nur Theologie, sondern sogar Kirche. Es würde mir sehr schwer werden, mich von diesen Banden zu lösen! – So steht die Frage. Sprich nicht darüber, auch nicht mit Greti (Details anzeigen)! Im Februar etwa komme ich, dann wollen wir es durchsprechen!

Dir alles Gute, vor allem Kraft und Gesundheit!! In treuer Liebe

Dein

Paul (Details anzeigen)!


Fußnoten, Anmerkungen

Register

aTillich, Johannes Oskar
bBerlin
cSeeberger, Elisabeth
dTillich, Margarete
eWegener, Carl Richard
fSydow, Eckart von
gHalle (Saale)
hBerlin
iTillich, Margarete
jTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
USA, Cambdridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/193(15)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
unbekannt - unbekannt
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Postkarte von Paul Tillich an Johannes Tillich vom 19. Juli 1917 [PS]
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Brief von Paul Tillich an Johannes Tillich vom 18. Dezember 1917

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Johannes Tillich vom 12. November 1917, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00548.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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