Lieber Tillich,
ich komme von der einen Frage nicht los. Vielleicht
können Sie mir einiges darüber sagen. In Schleiermachers
Reden über Religion fand ich eine Stelle, wo gesagt wird
das Höchste, das Ein und Alles der Religion sei es, alles
im Gefühl uns Bewegende in seiner höchsten Einheit als
ein u.und dasselbe zu fühlen, und alles einzelne und besondern
nur hierdurch vermittelt, also unser Sein und
Leben, als ein Sein u.und Leben in uns durch Gott. Gefährlich
sei es, u.und auf dem Gebiete der Religion sicher nur leere
Mythologie, die Gottheit als einen abgesonderten, einzelnen
Gegenstand hinzustellen. Mythologie sei hier
nicht nur die Vorstellung göttlicher Personen, sondern
nach jede strenge Lehrform, wo irgend etwas als
in in dem göttlichen Wesen geschehend dargestellt
wird oder auch göttliche Ratschlüsse, welche in Bezug
auf irgend etwas in der Welt geschehenes gefaßt werden,
nichts zu sagen von den einzelnen göttlichen
Ratschlüssen, welche dem Begriff der Gebetserhörung
seine Realität geben." — — An sich ist mir das
alles sehr klar u.und
ich glaube, daß es sich so verhält. —
Aber man betet natürlich dann nur, umein
mit Gott eine Vereinigung zu erleben. Warum
aber betet man doch immer um tausenderlei Dinge,
die doch mit dem Verhältnis zu Gott garnichts zu
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tun haben. Das einzig wirkliche Gebet wäre doch, darum
zu bitten, daß man an Gott glauben kann, wovon
wir neulich sprachen. Andrerseits ist das doch noch
kein Einssein mit Gott.— Manchmal kommt es
mir so vor, als ob Gott viel zu hoch sei, um überhaupt
mit solch irdischen Dingen sich zu befassen, die
doch im letzten Grunde wesenslos sind. Aber mehr
neige ich zu der Ansicht, daß Gott unser ganzes Leben
so mit lebt, daß er auch irdische Dinge versteht.
Natürlich kommt dann der Gedanke, daß das bei den
unzähligen Millionen Menschen u.und anderen Geschöpfen
ausgeschlossen sei, aber das ist mir persönlich kein besonders
schweres Problem. — Wie denken Sie denn über Gebetserhörung?
— Ich habe mich natürl.natürlich wieder so unklar,
wie möglich ausgedrückt, hoffe aber doch, daß Sie
mich wenigstens im Hauptgedanken verstanden
haben. Wollen Sie mir nicht bald schriftlich antworten,
denn (was man schwarz auf weiß besitzt...) was
man geschrieben hat, kann man sich besser durchdenken.
— Dann noch eine Bitte: Schenken Sie mir doch,
wenn es Ihnen möglich ist, Ihre Arbeit über Schelling
und Ihre Photographie. Ich möchte so gern irgend
ein Andenken an Sie haben. — Sehen Sie, so kommen
immer tausend Fragen, die man so gern besprechen
möchte. Wollen Sie mir in solchen Fällen manchmal
helfen oder soll ich Sie da auch entbehren? Nein,
bleiben Sie mir da wenigstens.