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Lichtenrade , den 03.11.1913

Lieber Tillich,

ich glaube an Ihre und Gretis gegenseitige Liebe, und die Liebe kann sicher zu einer wirklichen Ehe führen. Greti ist mir aber sehr fremd, und, weil ich Sie liebe, darum, bitte ich noch einmal, lassen Sie mich Gr.Greti kennen lernen! Verlassen Sie sich auf mich, ich bin ruhig genug dazu.— Ich denke immer, daß jetzt, wo Sie selbst lieben, Sie mich in gewisser Weise besser verstehen müßten. Man hat nur einen Menschen wahrhaft lieb und dieser Mensch liebt eine andre. Aber das ist es nicht allein. Nein, er wird mir noch 4-5 Wochen in der Nähe sein, um dann für immer fortzugehen. An diese Zeit kann man garnicht denken, weil einem sonst schwindlig und wirr im Kopfe wird. Aber in diesen wenigen Wochen will er nicht einmal sich etwas um einen kümmern, weil er möglichst viel mit Greti zusammensein möchte. Und es liegt doch noch ein ganzes Leben mit ihr zusammen vor ihm. — Ich aber bin nicht nur fürs Leben getrennt von Ihnen, sondern für immer. Sie haben | mich trotz meiner Offenheit noch nicht richtig kennen gelernt. — Nun ist das ja auch nicht mehr nötig. Aber mein ganzes Leben hing an dieser Liebe. Ach, ich freue mich ja über Ihr Glück, aber die Fragen, die dabei entstehen sind doch selbstverständlich, denn Gretis ganzes Wesen ist mir zu unbekannt. — Wenn Sie mich gern sehen wollen, dann werde ich mal einen Nachmittag nach Berlin kommen. Donnerstag würde gut gehen. — Ich muß doch mal Besorgungen machen in dieser Woche. Ich werde mit 300 reinfahren u.und um 1/2 4 am Potsdamer sein. Können Sie nicht, dann schreiben Sie bitte (im Brief) ab. Wenn Sie mir eine Freude machen wollen, dann sagen Sie jetzt "Du" zu mir.

Viele Grüße,
Maria Klein.

Wollen Sie jetzt noch mein Seelsorger sein? Können Sie das? — Dann bin ich Ihnen sehr dankbar. —

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