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Bremervörde, 4.IX.07.

Lieber Paul!

Für Deinen Brief1] herzlichen Dank, ein Chargiertentyp von Dir habe ich natürlich bestellt, das meinst Du doch; oder meinst Du von allen 3, das will ich natürlich auch haben, aber darnach wurden wir damals nicht gefragt.

In den letzten Tage war ich wieder einmal in Worpswede, diesem schönen Dorf, dem schönsten, das ich kenne. Mit meinem Vetter, auch Theol., habe ich schon ausgemacht, daß wir dort als Backurranten zur Wahl predigen wollen. Am letzten Sonntag war dort Missionsfest,das ich weißnoch nicht, ob Du diese Einrichtung kennst. Mein Vater war 8 Jahre dort Pastor, u die Leute hatten ihn gebeten, dort am Missionsfest zu reden, weil er ganz besonders beliebt gewesen ist. Wenn man nicht mit dem Rad hinfährt, ist es ein furchtbarer Umweg dahin, aber| trotzdem taten Vater und Mutter es. Ich fuhr mit dem Rad u kam fast 3 Stunden eher an. – Auf einem großen Bauernhofe war eine Kanzel aufgeschlagen u bekränzt, rings herum standen viele Reihen von Bänken. Am Sonntag Nachmittag sah man die Leute schon früh hinpilgern, auch sehr viele aus den umliegenden Dörfern. Um 3 begann das Fest, mit einem Gesang, der von schlecht spielenden Posaunenbläsern begleitet wurde. Wohl 800 Menschen hatten sich zusammen gefunden, die Bänke reichten lange nicht. Zuerst sprach nun mein Vater, u alles war still, nur über uns rauschten die hohen Eichen. Nachher sprach noch ein Pastor aus der Gegend, allerdings für mein Gefühl schlimm, er schimpfte auf die Automobile usw., die Wissenschaft. Nachher begrüßen dann Vater all die alten Worpsweder, soweit er sie nicht am Vormittag u Abend vorher gesehen oder besucht hatte.

Ich fuhr noch am selben Abend mit m. Vetter u einigen jungen Damen halb bis nach| Haus, die Nacht überraschte uns mitten im Wald, wir hatten einen großartigen Sonnenuntergang. Schließlich wurde die Sache unheimlich, der Weg war sehr schmal, u an einer Seite floß ein tiefschwarzer Moorgraben. Erst gegen 9 kamen wir an unseremDestin Ziel an. Trotzdem ich dort fremd war, wurde ich sehr freundlich aufgenommen. Am nächsten Nachmittag fuhren mein Vetter u ichwar hierher, er bleibt für einige Tage, vielleicht radeln wir zusammen noch zu Verwandten. – Wieder hat Worpswede einen heimischen Eindruck gemacht, die Gegend wie die Leute. Man hat an Gegend alles was man wünschen kann bei nicht allzu großen Ansprüchen, wenn man Sinn hat für das Kleine, Einfache, nicht nur für das Gewaltige, Berückende, Erschütternde. Haide, Moor, Wald, Wiese, Felder, Wasser, selbstP Berge en miniature sind vorhanden. Und dabei das Dorf selbst so hübsch gelegen. Aber die Hauptsache sind doch die Leute, und das| ist der Höhepunkt. Sie sind einfach u schlicht, offen u ehrlich, freundlich gegen jeden, der es ehrlich mit ihnen meint, aber verschlossen gegen Fremde. Man muß sich ihr Herz erst gewinnen, aber dann halten sie auch fest wie Leder. Abgesehen von einigenR reichen Bauernhab herrscht ein netter Wohlstand trotz des armen Bodens, der Torf bringt ziemlich viel ein. Kurz, ich bin ganz verliebt in Worpswede, u das geht nicht nur mir so. Daher auch die 60 – 70 Maler u Malerinnen dort die sich aber wenig unangenehm bemerkbar machen. Die Kunstausstellung war auch sehr nett, doch war ich etwas enttäuscht, ich hatte sie mir großartiger vorgestellt nachdem ich voriges Mal dagewesen war, wo vielmehr los war.

5. Sept. Noch einmal "lese" ich Deinen Brief. Deine Theorie ist wunderschön, aber läßt sie sich durchführen? Mit wievielen bleibt man in diesem höheren Reich der Gemeinschaft, das Raum u Zeit nicht kennt, exempli causa bei mir: Mit ca. 150 Leuten war ich in 3 Semestern in Halle zusammen,| aber mit wie wenigen korrespondiere ich, ich will sie mal aufzählen: Du, m. Lbb., Lotz, Stosch, Amos, Bertheau, Schafft, Balke, Wilm usw., also 9 eine geringe Zahl bis jetzt, mit einigen wird es sich ja noch anbahnen, aber spärlich ist es z.T. mit den Genannten auch. Sind nicht die vielen anderen auf dem besten Wege, einem ganz zu entschwinden, oder doch so, daß nur das Typ notdürftig an sie erinnert? Und geht einer Mehr an Korrespondenz nicht über die Kräfte? Ich sehe darin eine Gefahr, daß man allen möglichen Leuten dasselbe schreibt, ohne individuell den einzelnen als solchen zu nehmen, nicht als Glied der Kategorie, in diesem Fall jeden eben als "Hallenser". Daß das nicht bewußtist, das beabsichtigt ist, daß der Kreis eigentlich nur diese Kategorie enthält, ist selbstverständlich, aber vielleicht kein sehr schlechtes Zeichen vor mir für diese Kategorie, indem daß ich mich so selbst dazu rechnen kann. In der Dogmatik bin ich gerade bei dem Problem der Einigkeit. Wie war noch Schmuhls Deutung? Ich kam darauf bei den Eigenschaften Gottes, daß Schmuhls Gottes Anfang- u Endlosigkeit, überhaupt Zeitlo| sigkeit betont, weiß ich noch, aber die Zeitbezogenheit, die doch nicht fehlen darf, weil sonst unser ganzes Dasein u Gottes Wirken darauf Schein ist, scheint mir bei ihm zu kurz zu kommen, er macht sie ja wohl mit seinem bekannten Pfeil aufwärts/Pfeil abwärts von oben nach unten u umgekehrt in jedem Augenblick ab. Ich kann mir nichts darunter vorstellen. Eine sehr interessante Debatte hatte ich eben mit meinem Vetter über das Zungenreden in Thessal. Er stellt es auf eine Stufe mit 1Kor. 12-14 u. sieht u sieht christliches drin, das sehr ausgeartet ist. Ich dagegen kann solches Wesen, ein Ausstoßen tierischer Laute u sich Winden auf dem Boden usw. nicht für eine Wirkung des Geistes halten, in keiner Beziehung. Es will mir nicht einleuchten, daß dieBeziehungen höchsten Stufen der Wirksamkeit des Geistes, das von Herz gewollte Mittel zur Verwirklichung seines Reiches, unsere Natur auch nur zeitweise gänzlich beiseite schieben sollte, sondern gerade die höchste Anschauung u Wirkung des Geistes sollte Hand in Hand gehen mit der des Menschen u seiner geistigen Kräfte. Allerdings sehe ich mich dann auch zu einem nicht zustimmenden Urteil über das Urteil des Paulus gedrängt, problematisch ist mir die Stellung Jesu. Doch das Papier reicht nicht weiter. Der Rundbrief hat Balke erst angetroffen, da er auf Reisen war; daher die Verspätung.

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