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Dölzig n/m. 17.4.07.

Mein lieber Junge,

Herzlich willkommen in Halle! Hoffentlich hast Du die Reise glücklich überstanden und fängst mit frischen Kräften das neue Semester an! Nun bin ich schon den 4ten Tag hier in| dem lieben D. und erfreue mich an dem gemütlichen Landleben. Das Dölziger Pfarrhaus ist wirklich ideal! Du müßtest nur die Stuben sehen! Die Studierstube ist dieselbe geblieben, daneben liegt Kätes "Boudoir", ein entzückendes kl. Zimmerchen mit den feinsten Bildern und Möbeln. Nach hinten raus| unsere Wohn- und Eßstube, dunkelrot und schwarze altertümliche Möbel, daneben die Schlafstube mit Bubis Bettchen und Wagen! Drüben der schöne Salon und meine Stube, Küche und Mädchenstube, dann noch ein Logierzimmer für Dich bestimmt. Im Garten fängts an zu blühen und zu grünen, und| wir haben unsere Freude dran. Doch die größte Freude ist doch der kl. Martin! Ein zu lieber Junge, wie Milch und Blut. Morgens um 9 Uhr wird er gebadet; das ist zu niedlich, dann schläft er, um 12 Uhr wird er gefüttert, dann ist er bis 5 Uhr wach, dann schläft er bis 10 Uhr und dann trinkt er wieder| seine Flasche Milch und schläft bis 6 Uhr morgens. Also Martin ist die kleine Hauptperson im Hause Harder, aber eine sehr niedliche. Man wird nicht müde, mit ihm zu spielen. – Abends lesen wir Reuter: "Ut mine Festungstid" vor. Erich u. ich gehen täglich 1-2 St. spazieren.| Er hat außer Sonntag und einigen Amtshandlungen viel Zeit. Seine Freude an dem Jungen ist rührend!

Gestern haben wir Besuch bei dem Grafen gemacht. Sehr nett.Mont Sonnabend fahren K. u. ich mit der Gräfin nach Neudamm.

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Montag ist Kränzchen in Schildberg. – Nun aber zu Dir! Wirst Du nicht allzu sehr die W.-weiber vermissen? Hast Du schon Nachricht von irgend einem Freunde? Und wie siehts in Halle aus? Schreib nur alles| Bitte aber nicht auf einer offenen Karte v. Deinen Freunden, weil sie doch gelesen werden könnte und das wäre mir doch peinlich! Schicke mir doch die Historiographie u. Alles, was mich interessiert! Entschuldige die Tinte, es gibt hier keine andere! Ländlich – schändlich! Leb wohl. Sei recht wohl u. vergnügt.

Auf eine Dienstagnachricht freut sich Deine Schw. Johanna

Von H. arders Grüße

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    Literatur:

    • Reuter, Fritz, Ut mine Festungstid, 3. Aufl., Rostock: Hinstorff, 1997.