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Berlin, den 24.XI.06. Sonnabend.

lieber Paul,

herzlichen Dank für Deinen Brief1], der trotz scharfer Anspielungen (natürlich alle irrig) als Dankesbrief gelten soll. Du hättest nun noch sehr schön eine Schilderung Eures Bummels anschließen können, doch hattest Du wohl schon allen Geist verbraucht. Darum soll es entschuldigt sein. Wenn mein Brief heute etwas wirr sein wird, so wirst Du es verstehen, wenn Du hörst, daß rechts von mir unser "Gänschen" | sitzt und links Georgy und von Grillparzer: Des Meeres u. der Liebe Wellen, ein Trauerspiel; vorliest! Kennst Du es schon, oder soll ich es Dir für Euren Leseabend schicken. Sehr hübsch! Freitag vormittag wollen Trude und ich Sachen für Euer Lager kaufen, einige habe ich schon. Ich hoffe Dich nicht zu enttäuschen. Wenn es der Fall sein sollte, nun dann – Gänse sollen ja nicht viel Geschmack haben.

Am Dienstag war nun dier erste Vortrag, und wir können sehr zufrieden sein. Es war – wie im Reichsboten wohl zu lesen war – | bis zum letzten Platz gefüllt. Und der Vortrag selbst – war sehr gut! Er dauerte 1 1/2 St. Was Lasson sagte, kann ich Dir nicht schreiben, es ist aufstenographiert, aber das kann ich Dir sagen, daß ich nicht genug staunen konnte über die geistige Kraft, dies Leben, diesen sprühenden Geist, der noch in dem alten Mann steckt (82 J.)

Nun der nächste Lütgert! Wir freuen uns!

Donnerstag waren Dürselens bis 1/2 1 Uhr hier. Zum Donnerstag den 6. bin ich zu Steinhausens zum Tanz eingeladen. Die Freude ist geteilt. Trude u. ich haben jetzt auch zusammen französ. Stunden.

bei einer Französin. (entschuldige die Flecke, Georgy hat darüber geschmiert.)| Ich könnte Dir soviel erzählen, aber es geht heute wirklich nicht, es würde zuviel Unsinn werden! Drum, lieber Junge, werde ich jetzt, wo meist soviel vor ist, jeden Tag etwas schreiben. (ob es etwas wird?) Am morgigen Tag werdenme unsere Gedanken bei Dir sein; wir gehen zum Abendmahl!

Von allen Grüße!

In herzl. Gedenken
Deine Schwester Johanna

Trude wird nächstens auch einen Rachebrief schreiben.

Bitte Antwort, ob ich Grillparzer mitschicken soll!!

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    • Grillparzer, Friedrich, Des Meeres und der Liebe Wellen: Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien: Daberkow, 1903