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Hersfeld, im Juni 07.

Mein lieber Junge,

herzlichen Dank für Deine leider allzu kurze Karte1]. Durch Deinen Leibfux haben wir ja zum Glück mehr von Dir erfahren, auch Deine Rezeptionspauke las ich. Ich bedaure Dich herzlich um aller deiner Reden willen. Doch – wenn es Dich nicht allzu sehr anstrengt und Du sonst einigermaßen vernünftig mit Deiner Gesundheit umgehst (was ich nicht glaube) – dann werden sie Dir gewiß mehr Sicherheit geben. Also tu mir doch nur den einzigen Gefallen und gehe früh ins Bett! Es ist einfach Deine Pflicht, es zu tun!!!!! Ja?

Mir geht es immer besser, und ich weiß noch nicht, wie ich mich einmal von hier losreißen soll und Abschied nehmen, so heimatlich ist mir alles hier. Nimm Dich beim Rudern auf der Saale in acht!!!!!| Ich habe gestern heimgeschrieben und gefragt, ob ich bis zum 12. Juli bleiben könne, dann will ich bei Dir in Halle eine Nacht bleiben u. am nächsten Tag durch nach Misdroy. Dann hast Du auch Dein Stiftungsfest hinter Dir u. hast Zeit für mich! – Seit gestern ist es hier so heiß, das freut mich allerdings nur für Dich, Am Donnerstag feierten wir Herrn Sup.'s Geburtstag und heute Alfred's. Ich freue mich daß, Herr S. jetzt auch hier ist, er ist zu reizend. Hermann hat sein Tentamen (auch Katechese u. schriftl. Prüfung) gut bestanden und geht nicht nach Basel, entweder dient er oder kommt als Vicar in eine Universitätsstadt (zum Herbst.) (Marburg?) Viele Grüße! Einen frohen Sonntag! Deine J.|

Deine Schwester behauptet gerade von mir zu erzählen – wahrscheinlich ists nicht wahr – Kommen kann ich ja nun – vom 1 Juli ab angestellt – leider unmöglich!!

Hermann meinte, ich klagte über ihn; darum schreibt er, was ich schrieb, wäre nicht wahr! Von 1. Juli an ist er Vicar bei seinem Vater. Er geht eben um sich vom Militärarzt untersuchen zu lassen. – Heute erhielt ich v. Tante Emma einen lieben Brief. Wenn es Dir irgend möglich ist, dann schreibe Du ihr einmal; sie ist so traurig.

Denke Dir, Emiliy kommt nun sehr wahrscheinlich im Winter zu uns nach Berlin, um mit mir zusammen den Missionskursus durchzunehmen. Bitte schreibe wenigstens eine Karte| Alb. Kilger wohnt doch bestimmt wo anders!!!!!!!! Kommt er überhaupt nach Berlin? – Denke, im "Reich" u. im "Reichsboten" stand die Notiz, daß Papa zum Konsistorialrat in Schöneberg bestimmt sei.2] Als Herr Sup. mir plötzlich die Zeitung brachte, war ich natürlich recht erschrocken. Ich glaube, es ist nicht wahr. Wir lesen jetzt abends (Herr Sup.) Hanne Nüte vor. Das wäre riesig nett, wenn ich nicht zu früh ins Bett müßte! Ich wünsche für Dich, daß Du hierherkämst u. Dich erholtest. Nun erst werde ich Dich einmal in Misdroy u. in Berlin pflegen, ich hab's ja jetzt gelernt, freust Du Dich auf die See? Tante Emma hat mich leider zu Herbe eingeladen – Ich gehe aber kaum.

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    Personen:

    Orte:

    Literatur:

    • Reuter, Fritz, Hanne Nüte un de lütte Pudel, in: Sämmtliche Werke, Bd. 4, hg. v. dems. Wismar, Rostock und Ludwigslust, 1878, S. 1–199.