Brief von Johannes Tillich und Toni Winkler an Paul Tillich vom 17. November 1906

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Berlin d. 17./11. 06. Papa diktiert

LieberPaul Sohn!

Die Aufforderung, den Tübinger Verhältnissen näher zu treten, sende ich an den neu gebildeten Ausschuß Tübinger Philister, da ich in dieser Sache keine Führung habe und übernehmen kann. Ich bin jetzt ganz in Anspruch genommen durch die Vorbereitung zu den Vorträgen, deren erster am Dienstag gehalten wird. Wir haben gegen 2000 Programms versandt, u. hoffen auf guten Besuch. Aber die Sache macht mir doch sehr viel Arbeit; wir haben diese Woche im Automiltempo gelebt und geschafft. – Deine Bemerkungen von neulich über Römer 3 kann ich gut verstehen. Es scheint mir so, als würde ich der| Lütgertschen Erklärung nicht zustimmen können, doch müßte ich sie erst genauer kennen lernen. Jedenfalls ist nicht zu vergessen, daß die Ausdrücke des Apostels nicht wie die Formeln eines wissenschaftlichen Theologen behandelt und seziert werden dürfen. Es ist eben immerhin nur ein Brief, nicht eine gelehrte Abhandlung, die Paulus an die Römer schickt, für die Gemeinde geschrieben und für die Gemeinde auch heute noch von demselben Wert wie damals. Wir kommen jetzt nicht dazu, abends etwas zu lesen; es liegt meist eine Sitzung oder Einladung| vor. Bis zum 1. December sind so ziemlich alle Abende schon besetzt.– Sonst kann ich nichts von Bedeutung mitteilen. Es geht mir befriedigend, jedenfalls besser als im vorigen Jahr. Schreibe einmal nach Freiburg; Onkel Walz hat einen leichten Schlaganfall gehabt, (Du darfst das aber nicht bei Namen nennen.); es geht ihm aber wohl wieder besser. Gott behüte Dich –

Gruß u Kuß
Dein tr. Vater

Lieber Paul.

Johanna ist heut bei Lucy schon zu Mittag u. kommt erst am Abend wieder, wie Du ja von ihr weißt.| Hüpfer ist auch eingeladen zu Bu u. Bob da ist großer Geburtstagszauber. Trudl ist in der Singstunde, so ist das Haus bis auf uns Alten leer. –

Hoffentlich pflegst Du Dich recht, u. bist nicht zu sparsam, wir denken viel an Dich! Neulich waren wir zu Pastor Schmidts Geb. geladen, wo es bes. nett war. – Schreib doch mal eine Karte an die alte Frau Schmidt, sie bedauerte so sehr Dich nicht vor Deiner Abreise noch gesehen zu haben, eine kurze Karte würde sie sehr erfreuen. Nächsten Freitag sind Dürselens bei uns. Daß alle meine Verwandten bei uns eingeladen waren, weißt Du doch schon. Es war sehr nett!

Nun noch viele, viele Grüße v. D
getr. T. T.
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