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Berlin d. I. VI. 05.

Mein lieber Paul.

Am Sonnabend sollst Du doch von uns Allen, auch von Tante Toni einen Extra Gruß haben, denn dann werden wir beiden Geburtstagskinder noch besonders oft Deiner gedenken u. Dich herwünschen. Hoffentlich gehts dir in dem schönen heißen Wetter alle Tage besser mit dem Ohr1], so daß Du doch noch zur Wartburg kannst. Und dann erst die Vorfreude auf den 3 ten Juli!! Elisabeth und ich bleiben dann noch bis zum 10. Juli in Berlin, da Lisbeth silberne Hochzeit am 9. Juli feiert, dann fahren wir beide nach Bielefeld mit den Geschwistern. Du wirst dich mit| uns freuen, wenn Du hörst, daß unsre Kleine noch kein einzig Mal Halsentzündung gehabt seit du fort bist, hoffentlich erkältet sie sich auch heut nicht, sie ist mit Annas Schwester Rike nach Hohen Neuendorf bei den Großeltern. Letztere haben sich über Deinen Geburtstagsglückwunsch sehr gefreut, aber Du mußt nicht wieder schreiben, daß nur "alte Tanten" zum Geb. kämen, u. du deshalb nicht allzu traurig wärst, ihn nicht mitfeiern können zu helfen. "Alte Tanten" sind meist mehr empfindlich als junge u. es klingt doch auch etwas kränkend, was es doch gewiß nicht sein sollte. Es erinnerte mich lebhaft an die Aufforderung| des Wingolfiten an seinem Tanzkränzchen: "Die alten Damen sitzen unter dem Weihnachtsbaum!!! –– So etwas darf man nur denken, u. die Sprache ist in solchen Dingen dazu da, die Gedanken zu verbergen. –– Ich freue mich schon sehr auf Papas Geburtstag, weniger auf meinen eigenen, übrigens muß ich Dir noch berichten, daß neulich Brandts hier durch Berlin gereist sind, Papa u. ich waren 1/2 Std. auf der Bahn, u. hat ersteren Onkel mal ganz offen wegen Marie Blahr Bescheid gesagt. Hoffentlich hat er nun auch endlich eine richtige Auffassung der Dinge, bes. da Papa ihm noch zum Schluß gesagt hat, daß er überhaupt nicht heiraten wollte,| am aller allerwenigsten aber mich!! Nun wollen wir mal sehen, ob die Menschen mich in Ruhe lassen. Daß Papa einen Phonographen zum Geb. bekommen wird Dir gewiß Johanna berichten, die jetzt zur selben Zeit drüben in Papa Auftrag an Dich schreibt . Und nun leb wohl für heut. Im nächsten Paket schicke ich Dir viel Schokolade mit. Wenn ich von irgend woher etwas Kuchen oder Sonstiges bekomme, was Dir Freude macht, so bekommst du davon ab. Es grüßt Dich herzlich

Deine Tante Toni
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    • Tillich, Paul, Impressionen und Reflexionen (GW XIII) 
    • Tillich, Paul, Ein Lebensbild in Dokumenten : Briefe, Tagebuch-Auszüge, Berichte (EW V), hg. von Renate Albrecht, Margot Hahl, Stuttgart 1980.