Brief von Paul Tillich an Gustav Hoelscher vom 20. November 1923

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Der editierte Text

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a, den 20.11.1923
Hochverehrter b!

Ihren Brief vom 17. d. M.1 habe ich erhalten und danke Ihnen herzlich für die Mitteilung! Es scheint mir jedoch, als ob noch immer nicht alle Unklarheiten behoben wären. In meiner ersten Antwort an Herrn c habe ich drei Voraussetzungen genannt, die erfüllt sein müssten, wenn ich an eine Übersiedelung nach d denken sollte, 1. die vorhergehende, resp. gleichzeitige Verleihung der Amtsbezeichnung Professor, 2. die Erstattung der Umzugskosten, 3. die Erhöhung meines Lehrauftrages bis zu dem Betrage der Gehaltsklasse 10. In seiner Antwort teilte mir Herr e mit, dass die Fakultät wegen aller drei Punkte bei dem Ministerium vorstellig werden wollte. Von der damaligen Antwort des Ministeriums habe ich leider nie etwas gehört, sondern erfuhr erst Mitte Oktober bei einem persönlichen Zusammentreffen mit Herrn f, dass meine Einreihung in Gehaltsklasse 10 nicht in Betracht kommen und infolgedessen das Gesuch abgelehnt werden müsste. Ich klärte ihn daraufhin vor, mich mit 90 % zufrieden zu geben, wozu ich mich mit schweren Herzen entschloß. Ich teilte ihm diesen Entschluss brieflich mit. Gleichzeitig schlug mir Herr g vor, dass das Ministerium den gesamten Umzug vorschussweise zahlen und ¾ davon dauernd übernehmen würde, während ich verpflichtet sein würde, das letzte Viertel abzuzahlen. Ich ging auch darauf ein, Herr h mir damals angedeutet hatte, (vertraulich) dass die Fakultät einen Restteil des Umzuges aus besonderen Mitteln bezahlen könnte.

Aus Ihrem Brief kann ich nun nicht ersehen, ob diese Abmachungen, von denen ich unter keinen Umständen in irgend einer Beziehung ablassen kann, da ich nicht nur für mich, sondern auch für i (ich heirate bald nach Weihnachten) verantwortlich sein werde, in Kraft sind. Was den ersten Punkt betrifft, so schreiben Sie von einer eventuellen Verleihung des Professortitels. Da es sich aber um meine zweite Umhabilitation handelt, so ist für mich die wirkliche Verleihung Vorbedingung. Von dem zweiten Punkt, den Umzugskosten, erwähnen Sie gar nichts. Auch dieser Punkt müßte sowohl von Seiten des Ministeriums wie der Fakultät, zur Klarheit gebracht werden, da ich persönlich ja nicht einmal im Stande wäre, die Reisekosten, geschweige die Umzugskosten aufzubringen. Was den dritten Punkt betrifft, so erhalte ich schon gegenwärtig 80 % der Klasse 10, ich würde also wenn die Angabe Ihres Briefes zuträfe, mich um nichts verbessern, mich aber insofern weit verschlechtern, als mir die zahlreichen Möglichkeiten von Nebenverdiensten, die j bietet, verloren gehen.

Nachdem ich zwei persönliche Besprechungen mit Herrn k gehabt habe, ist es mir nicht möglich, in dieser Angelegenheit seine Zeit noch einmal in Anspruch zu nehmen. Außerdem liegt mir daran, dass der Anschein vermieden wird, als ob die ganze Sache von mir ausginge. Und ich bin überzeugt, dass im gegenwärtigen Stadium nur die Marburger Fakultät durch direkten Schriftwechsel mit dem Ministerium die Sache zur Entscheidung bringen kann.

Bezüglich Ihrer Mitteilung über den Lehrauftrag, den Kollege l erhalten soll, möchte ich aufs nachdrücklichste betonen, dass ich unter keinen Umständen ein Hindernis für die Erteilung des Lehrauftrages sein möchte. Doch sehe ich keinen Grund dazu ein, da ich schon seit Jahren einen Lehrauftrag habe.

In vorzüglicher Hochachtung
Ihr sehr ergebener m

Fußnoten, Anmerkungen

1Liegt nicht vor.

Register

aBerlin-Friedenau
bHoelscher, Gustav
cRade, Paul Martin
dMarburg
eRade, Paul Martin
fRichter, Werner
gRichter, Werner
hRade, Paul Martin
iTillich, Hannah
jBerlin
kRichter, Werner
lWünsch, Georg
mTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
Deutschland, Marburg, Hessisches Staatsarchiv Marburg, 307a acc. 1962/i2 Nr. 64
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Berlin-Friedenau - unbekannt
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Brief von Paul Tillich an Gustav Hoelscher vom 1. Januar 1924
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Gustav Hoelscher vom 16. März 1924

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Gustav Hoelscher vom 20. November 1923, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L01334.html, Zugriff am ????.

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