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Geliebte!

Dein Brief und Noras haben mich verwundert. Ich wußte nicht, daß Noras Gefühl so stark war, und ich wußte nicht, daß Dich Derartiges aus der ruhigen Gewißheit meiner Liebe schrecken könnte. Hannah ich habe sie nicht erwählt, nicht einmal zu der Zwischenrolle, von der sie schreibt. Hannah Du weißt noch nichts von mir; Du kennst mich nicht, Du ahnst nicht, was eines Mannes Liebe auf der Höhe seines Lebens bedeutet. Hannah Du kannst in mir ruhen, und Dich auf Dich [!] zurückwerfen, Du kannst Hannah Werner und Hannah Gottschow sein, Du kannst verheiratet und geschieden sein, Du kannst tot und lebendig sein, niemals warte ich auf Dich als die Erfüllung; denn immer bist Du meine Erfüllung. Ich habe Dir gesagt, Du wärst mein Christus; das war kein überschwengliches Wort, das ist die konkrete Selbstgewißheit meines Lebens; es gibt nichts in der Welt, was mich davon abbringen könnte, auch nicht Dein unverständlichstes Tun. Es ist darum auch gleichgültig, ob ich von Dir rede oder von Dir schweige; denn wenn ich schweige, schweige ich von Dir; und dieses Schweigen ist Seelenrede, die jede andere Seele hören muß. Es gibt für mich auch keinen unmittelbaren Moment, es gibt nur Dinge, die vom Absoluten her bejaht werden; das Absolute aber ist abstrakt, und Du bist seine konkrete Offenbarung, Du mit all Deinen Nichtigkeiten und Schwankungen. Ich will nicht, daß man Dich auf ein Podium stellt, wie Nora in ihrem Brief. Ich verneine Deine empirische Person, wie ich sie zugleich bejahe. Darum ist meine Liebe zu Dir absolut unerschütterlich. Darum empfange ich alles aus Deiner Hand; darum kann es keinen Moment ohne Dich geben. Das ist mein Fundament, auf dem ich ruhe und das mir niemand nehmen kann, auch nicht Du selbst! – Aus dieser Gnade kann ich geben, wer sich geben lassen will, aber ohne diese Gnade würde ich arm und elend in der Vielheit umher irren, und würde arm machen statt reich. O Hannah, wann wirst Du den Abgrund meiner Liebe ganz ermessen, auch nur verstehen können. Ich dränge Dir auch nichts auf. Ich sage nur: Es ist da; Du kannst es nicht ändern. Nun tu, was Du mußt.

Paul

Eben klingelt Nora an; heut kam Dein Brief an sie; er hat den Ausschlag gegeben für sie. Ich aber werde kein Wort ungesagt sein lassen, das gesagt werden muß. Und wenn sie dann will: Ich glaube die Einheit in Dir (insofern Du mehr bist als die) kann uns nur höher heben.

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