Brief von Paul Tillich an Ernst Cassirer vom 7. Juli 1933

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Ostseebad Sassnitz auf Rügen
Haus Normann
den 7.7.33

Lieber Herr Cassirer!

Zur Liquidation unserer bisherigen Existenz gehört die Fürsorge für Studenten, die direkt und indirekt mitbetroffen sind. Vor allem natürlich jüdischer Studenten. Ich möchte Ihnen im Zusammenhang damit jemanden empfehlen, der einige Semester lang bei mir studiert hat und sich durch ungewöhnliche philosophische Begabung auszeichnete. Er brachte mir gleich, als er in seinem ersten Semester zu mir kam, ein Arbeit über Hugo Dingler, die von grossem Scharfsinn zeugt und Beweis intensiver philosophischer Arbeit auf der Schule ist. Auch Kollege Messer hat ein Gutachten darüber geschrieben, das ich Ihnen beilege.

Weinberg, ist berufsmässig Jurist, vom Referendar aber zurückgewiesen worden. Er promoviert jetzt in der philosophischen Fakultät und fragt, ob es irgend eine Möglichkeit für ihn gibt, draussen weiter zu arbeiten, da ihm hier ja jede Möglichkeit versperrt ist. Er meint, dass Sie vielleicht durch Ihre Beziehung zu Warburg die Möglichkeit hätten, ihm ein kleines Stipendium zu verschaffen. Ich wäre sehr froh, wenn das möglich wäre. Seine Adresse ist: Heinz Weinberg, Eysseneckstr. 4, Frankfurt a.M.

Wie geht es Ihnen selbst? Unser gemeinsames Auftreten in Halle gehört ja nun in die Welt unmöglicher Vorstellungen.1] Wie geht es Ihrem Sohn, dem Altphilologen?

Seien Sie herzlich gegrüsst
Von
Ihrem
Lieber Saxl!2]

Ich will Ihnen den obigen Brief von T. jedenfalls weitergeben - obwohl ich natürlich wenig Hoffnung hege, daß sich etwas in der Sache tun lässt.

Ich harre mit grosser Spannnung Ihrer Nachrichten - hat mein Brief nach Leyden (postl.) Sie erreicht?

Mit herzlichen Grüssen an Sie u. Frl. B.
Ihr
E. C.
    Entität nicht im Datensatz vorhanden

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    Literatur:

    • Weinberg, Heinz, Das Geltungsproblem bei Hugo Dingler. Versuch einer Kritik, 1934.