Brief von Salome Boller an Paul Tillich vom 23. April 1933

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Zürich, 23. April 1933
28 Rütistrasse.

Lieber Paulus,

Empfinden Sie es als aufdringlich wenn ich nicht unterlassen kann Ihnen zu sagen wie schrecklich leid es mir getan hat von Ihrer "Beurlaubung" zu lesen. Voller Betrübnis nehmen wir Anteil an dem Unheil das Sie betroffen hat.

Wir leben hier in grösster Ruhe und Frieden, das ganze Geschehen in Deutschland lässt uns im Innersten unberührt – wie| kann es anders sein, da es nicht unmittelbar in unser Dasein eingreift – doch in dem Augenblick wo Menschen mit hineingezogen werden die man kennt, zu denen man ein persönliches Verhältnis hat, rückt alles in greifbare Nähe und man leidet mit.

Ich bin sehr traurig, dass Sie und Ihre Familie unter diesen Umwälzungen zu leiden haben. – Vor zwei Wochen war die Familie Löwe hier und erzählte, dass Sie im Sinne haben im Sommer| wenn möglich nach der Schweiz zu kommen. Nun wird es gewiss nichts daraus? Es wäre so schön wenn wir Sie alle wiedersehen könnten.

Die Elli muss bald möglichst wieder in die Berge. Ihre Lunge ist angegriffen und sie hat Höhenluft dringend nötig. – Ich hatte mich sehr gefreut Löwes zu sehen und von Ihnen zu hören. Vielen Dank für die übersendeten Grüsse.

Haben Sie die Karte einmal erhalten, die wir von der Zusammenkunft mit Krocks an Sie losliessen?| Es sind nette Menschen und wir verlebten einen reizenden Abend zusammen. Eben jetzt bin ich daran "Das Dämonische" zu lesen. Leider kann ich einfach nicht darauf kommen was unter Dialektik des Dämonischen zu verstehen ist. Nun, vielleicht geht mir noch ein Licht auf. –

Nun will ich schliessen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben von Herzen alles Gute und sende Ihnen allen mit meiner Schwester viele Grüsse.

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    • Tillich, Paul, Das Dämonische. Ein Beitrag zur Sinndeutung der Geschichte (Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte, Nr. 119), Tübingen 1926