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Frankfurt, 17. 7. 1930

Lieber Schreiner!

Eine Aufforderung vom Ministerium habe ich nicht erhalten,1] möchte Dir aber doch meine Auffassung nicht verheimlichen. Ich würde es für einen ungeheuren Glücksfall für die ev. Kirche halten, wenn die Freidenker die Rechte einer öffentlichen Körperschaft erhielten. Es würde ihnen damit mit einem Schlage die stärkste agitatorische Waffe, die sie haben, entrissen werden, der Angriff auf die Verbindung von Staat und Kirche, von staatlicher Zwangseinziehung der Kirchensteuern, von beamtenmäßiger Sicherung der Geistlichen und so fort. Da ihre Hauptstoßkraft z. Z. im Proletariat liegt, würde ich natürlich vom Standpunkt des religiösen Sozialismus aus einen solchen Vorgang aufs stärkste begrüßen. Es wäre nach meiner Meinung der beste Riegel vor dem Hereintragen bürgerlich-religiöser Flachheit in das Proletariat.

Wenn Du es für angemessen hältst, ermächtige ich Dich, diese meine Auffassung wörtlich mit meinem Namen dem Ministerium mitzuteilen.

Mit herzlichem Gruß
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    Personen:

    • Schreiner, Helmuth (Professor für Praktische Theologie (zw. 1931-37 in Rostock); in Münster wurde er 1945 zum kommissarischen Dekan und 1946 zum Professor für Praktische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität berufen und gehörte bis zu seiner Emeritierung 1957 zu dem wesentlichen Kräften im Wiederaufbau der Evangelisch-Theologischen Fakultät)
    • Tillich, Paul (Theologe; Religionsphilosoph; Pfarrer;)

    Orte: