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11. Juli 1930

Lieber Tillich!

Vor einigen Tagen bin ich vom Kultusministerium gebeten worden, ihnen in der Frage der Erteilung der öffentlichen Körperschaftsrechte an die Freidenker ein Gutachten zu erstatten. In einer Vorbesprechung vor einigen Wochen habe ich auch auf Befragen Deinen Namen unter denjenigen genannt, die in erster Linie für ein solches Gutachten in Frage kommen. Ich möchte Dich nun fragen, ob Du in diesen Tagen auch vom Kultusministerium eine solche Aufforderung erhalten hast. Es würde mir lieb sein, wenn wir uns über die Gründe und Gegengründe, die für die Anerkennung der Freidenker von Seiten des Staates sprechen, irgendwie unterhalten könnten. Ich halte die Sache für wichtig, da sie u.U. sehr starke kulturpolitische Konsequenzen hat.

Vor Ostern habe ich Deine "Religiöse Verwirklichung" gelesen. Ich wollte Dir schon immer einmal schreiben und aussprechen, welchen grossen Gewinn ich davon gehabt habe. Ja, ich kann fast sagen, dass mir manche Kapitel eine Offenbarung waren. Allerdings hätte ich das 1.Kapitel gern noch| konkreter gestaltet gesehen. In meinem Buch "Pädagogik aus Glauben" bin ich öfters auf Deine Gedanken zurückgekommen.

Mit herzlichem Gruss1]
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    Personen:

    Literatur:

    • Tillich, Paul, Das Religiöse als kritisches Prinzip. Die protestantische Verkündigung und der Mensch der Gegenwart, in: ders., Religiöse Verwirklichung, Berlin 1930, S. 25-42. 
    • Schreiner, Helmuth, Pädagogik aus Glauben, Schwerin 1930 
    • Tillich, Paul, Religiöse Verwirklichung, Berlin 1930