Brief von Günther Ruprecht an Paul Tillich vom 6. Januar 1930

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6. Januar 1930
Herrn Professor Dr. Paul Tillich, Frankfurt a. M.1]

Hochgeehrter Herr Professor!

Herr Lic. Eisenhuth übersendet uns die Handschrift seiner Promotionsarbeit zum Dr. phil. "Studien zum Begriff des Irrationalen" oder auch "Der Begriff des Irrationalen bei R. Otto als philosophisches Problem" und bietet zugleich eine Arbeit an, die er als Habilitationsschrift einzureichen gedenkt: "Versuch einer ontologischen Grundlegung der Religion".

Er möchte, daß wir beide Arbeiten in unsern Verlag nähmen, und bittet um Beratung, in welcher Weise sie am besten erscheinen könnten.

Vom Standpunkt des jungen Gelehrten aus gesehen, ist es sehr begreiflich, daß er schon kurz nach Veröffentlichung seiner ersten Arbeit nun zwei weitere herausbringen will. Sie können sich aber wohl denken, daß wir als Verleger dieser verhältnismäßig schnellen Produktion gegenüber Vorsicht zu üben genötigt sind, namentlich in einer Zeit, die der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Monographien in materieller Hinsicht überaus ungünstig ist. An der Erstlingsarbeit über die Glaubensgewißheit bei Heim haben wir vom finanziellen Standpunkt aus betrachtet unserer Erwartung gemäß nicht eben sehr ermutigende Erfahrungen gemacht.

Nun schreibt der Herr Verfasser, daß Sie die erste, als Doktor-Dissertation eingereichte Arbeit als Referent genau kennten, und da wir annehmen dürfen, daß Sie Interesse für den Herrn Verfasser und seine Arbeit haben, sind wir so frei, Sie um eine ganz offenherzige Begutachtung zu bitten. Sollten Sie, wie wir wohl annehmen dürfen, auch bereits einigermaßen über die zweite Arbeit orientiert sein, so würden uns auch einige Worte darüber sehr willkommen sein. Namentlich wäre es uns erwünscht, auch Ihre Ansicht darüber zu hören, ob, falls wir uns überhaupt zum Verlag entschließen, eine Vereinigung beider Arbeiten in einem Buche Ihnen tunlich erscheint und sich empfehlen würde. Der Interessentenkreis würde ja wohl ungefähr derselbe sein. Für den Verfasser wäre, falls die Arbeiten in einem Buche erschienen, in sofern vielleicht eine Erleichterung zu erzielen, als die Notgemeinschaft, die sonst grundsätzlich Dissertationen nicht unterstützt, wahrscheinlich eine Unterstützung der ganzen Schrift nicht verweigern würde.

Anknüpfend an eine Unterredung, die Sie mit Herrn Gustav Ruprecht auf dem Frankfurter Theologentag2] hatten, gestatten wir uns gleichzeitig die Anfrage, ob Sie vielleicht selber jetzt einen literarischen Plan haben, zu dessen Verwirklichung wir beitragen könnten.

Mit besten Empfehlungen

Anbei ein Freiumschlag.

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    Personen:

    Orte:

    Literatur:

    • Eisenhuth, Heinz Erich, Die Entwicklung des Problems der Glaubensgewißheit bei Karl Heim, Göttingen 1928. 
    • Pfenningsdorf, Emil (Hg.), Der Erlösungsgedanke. Bericht über den 2. deutschen Theologentag in Frankfurt a. M. (Herbst 1928), Göttingen 1929. 
    • Eisenhuth, Heinz Erich, Ontologie und Theologie, Göttingen 1933. 
    • Eisenhuth, Heinz Erich, Der Begriff des Irrationalen als philosophisches Problem. Ein Beitrag zur existenzialen Religionsbegründung, Göttingen 1931.