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15. Januar 1930

Lieber Paulus-

als ich im vorigen Jahr in der Zeitung von Deiner Berufung nach Frankfurt las, klopfte mir das Herz vor Freude, dass Du nun auf die Stelle gekommen bist, die ich mir immer für Dich gewünscht habe. Ich wollte Dir damals schreiben, aber ich hatte zu viel zu tun und war nachher nicht mehr in Stimmung.

Ich bin nun zu einem Leben gekommen, das mich restlos zufrieden und glücklich macht. Ich habe schon lange eingesehen, dass alles so kommen musste, um mich zu dem zu machen, was ich heute bin. Ich bin dem Leben dankbar ergeben für allen Reichtum innen und aussen. Ich besitze als Hauptstücke: Ein Haus,| einen See, ein Kind, zwei Hunde, zwei Katzen. Dazu kommt eine gute Mutter, ein glückliches Paar, Eva mit ihrem Mann; Freude an der Arbeit und an der Natur, und ein wirkliches Verhältnis zum Geist, wozu ich früher den Weg nicht finden konnte.

Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass ich Dich hätte rufen können, wenn ich nicht weiter gewusst hätte. Glücklicherweise habe ich es nie nötig gehabt, aber wenn es Dich nun interessiert, mich und meinen lieben Sohn zu besuchen, so würde ich mich freuen, wenn Du im Frühling bei einem Aufenthalt in Berlin einen Abstecher nach hier machtest.

Von Dir habe ich nicht viel gehört. Ich habe einige von Deinen Sachen gelesen, besonders Dein letztes Buch| hat mich sehr bewegt. –

Jetzt kommt mir der Gedanke, dass vielleicht Deine Frau denken könnte, ich wollte etwas von Dir oder brauchte Dich.

Dann komme bitte ja nicht.

Ich will Dich auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen. Ich dachte nur, dass wir nun alt genug wären, nur den Menschen gelten zu lassen, ohne irgend Forderungen zu stellen. Schreibe mir ganz ehrlich; ich brauche Dich nicht, ich wollte Dir nur eine Freude machen und in meinem Gewissen die Stelle austilgen, auf der steht, dass ich nicht immer gut zu Dir war.

Sei herzlich gegrüßt von Deinem Lebensanfang
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