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25.1.27

Lieber Tillich!

Ich1] möchte mich heute vertraulich mit einer Bitte an Sie wenden. Sie werden aus allen Veröffentlichungen ersehn haben, dass ich ganz planmässig nicht nur ein Jahrbuch, eine Bibliothek, Herausgaben von Klassikern, Lesestücke etc. gemacht habe, und ich kann Ihnen vielleicht sagen, dass ich in den Rat der Soziologie mit Lederer gewählt worden bin, aber Sie werden auch wissen, wie schwer es mit dem Fortkommen ist. Nun ist ein Lehrstuhl in Hamburg gegründet worden und wird mein Name genannt neben Vleugels und Meusel, mit denen ich, ohne mich zu überheben, ganz gut konkurrieren kann. Aber da Wiese den Massenpsychologen und Psychoanalytiker Vleugels heftigst empfiehlt, so brauchte ich einige Unterstützung, denn wenn auch Oppenheimer und andere Kollegen mich sehr empfehlen, so wird man doch den falschen Eindruck haben, dass ich Oppenheimerianer bin und die Herkunft von Troeltsch oder Simmel überhaupt nicht wissen. Namentlich Heimann steht nicht mit Oppenheimer, und ich hätte nun an Sie die Bitte, ob es Ihnen nicht möglich wäre, Heimann einmal nachdrücklich auf mich hinzuweisen. Sie brauchen ja nicht zu schreiben, dass ich Ihnen von den Berufungsangelegenheiten geschrieben habe, sondern von sich aus auf die Möglichkeit einer Berufung hinweisen. Das ist natürlich sehr viel, aber ich hoffe doch annehmen zu können, dass Sie mir diesen Dienst auf Grund unserer alten Freundschaft erweisen werden. Uebrigens habe ich mit Steppun eine | schöne Unterhaltung gehabt und ihn gebeten, Sie herzlichst zu grüssen. Er ist ein Prachtkerl. Ich würde gerne öfter von Ihnen hören, und nicht nur von Zeit zu Zeit etwas lesen, wie z.B. Ihre Arbeit über das Dämonische. Es ist nur schade, dass ich vor lauter Gelderwerb nicht dazu komme, meine wesentlichen Sachen herauszubringen und ich habe deshalb zunächst einmal Urlaub nachgesucht, um wenigstens eine von den grossen Sachen herauszubringen. Ich lege kein Schriftenverzeichnis bei, weil ich eben denke, dass Sie evtl. in dem Privatbrief mehr auf die Persönlichkeit als auf einzelne Anschauungen eingehen wollen.

Seien Sie meiner Dankbarkeit versichert und freundschaftlich begrüsst von Ihrem ganz ergebenen2]
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    Personen:

    Orte:

    Literatur:

    • Salomon, Gottfried, et al. (Hg.), Bibliothek der Soziologie und Politik, 3 Bde., Karlsruhe 1926/1927. 
    • Tillich, Paul, Das Dämonische. Ein Beitrag zur Sinndeutung der Geschichte (Sammlung gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie und Religionsgeschichte, Nr. 119), Tübingen 1926 
    • Salomon, Gottfried/Oppenheimer, Franz, Soziologische Lesestücke, 3 Bde. (Bd. 1: Begriff der Gesellschaft in der allgemeinen Soziologie. Bd. 2: Begriff der Gesellschaft in der deutschen Sozialphilosophie. Bd. 3: Individuum und Gesellschaft), Karlsruhe 1926. 
    • Jahrbuch für Soziologie, hg. von Gottfried Salomon, Karlsruhe 1925-1927.