Brief von Paul Tillich an Reinhold Seeberg vom 5. November 1924

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Berlin-Friedenau,, den 5.11.1924

Hochverehrter Herr Geheimrat!

Unsere Unterhaltung im Sprechzimmer hat mich sehr bewegt. Die Möglichkeit, unter Umständen in Berlin ein ausserétatsmässiges Extraordinariat für Religionsphilosophie und Kulturethik zu erhalten, belastet die Wage der Entscheidung durchaus zu Gunsten von Berlin. Und das gilt nicht nur von meinem Standpunkt aus, sondern es ergibt sich nach meiner Meinung auch aus der Sachlage an den beiden Universitäten. In Marburg sind gerade die genannten Dinge durch Heidegger,Natorp, Heiler, Otto so völlig ausreichend belegt, dass ich mir eigentlich überflüssig vorkommen würde, während hier in keiner der beiden Fakultäten diese Troeltsch’schen Fächer vertreten sind. Vielleicht käme dieser Gesichtspunkt Herrn Ministerialrat Richter gegenüber in Betracht. Im übrigen bin ich nicht ganz sicher, ob Herrn Ministerialrat Richter wirklich daran gelegen ist, dass ich übersiedle; und nicht viel mehr daran, dass ich mich klipp und klar entscheide. Die innere und äussere Schwierigkeit meiner Entscheidung nebst verschiedenen Missverständnissen haben die Verhandlungen unnötig lange herausgezögert. Es liegt mir infolgedessen ausserordentlich viel an dem Resultat Ihrer Erwägungen und eines evtl. Gespräches mit Herrn Ministerialrat Richter über meine Sache. Falls Sie mich noch vor Freitag zu sprechen wünschten, würde ich natürlich jederzeit zur Verfügung stehen und bin auch telefonisch erreichbar unter Rheingau 8347.

Indem ich Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihr Interesse an der Angelegenheit und für Ihre Bereitwilligkeit, mir zu helfen ausspreche, bin ich Ihr dankbar ergebener
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