Der editierte Text

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a, d. 13.XII.22.
Lieber b!

Es ist uns sehr leid, daß wie wir geahnt nun Dein Besuch doch nicht zu W. möglich ist, u. gegen die Gründe ist ja nichts zu sagen. Wäre es aber nicht vielleicht möglich, daß Du zu Neujahr auf ein paar Tage kommst, am 3. u 4. ist in c eine Conferenz1, bei der ich Dich ganz gerne hätte. d, e, f, g, werden sicher kommen u. es wäre gerade jetzt eine solche Aussprache Derer, die neue Wege suchen sicher sehr wertvoll. Es steckt in h eine stark religiöse Kraft, aber wenig bedeutender Geist u. ich seufze immer wieder nach einem Stündchen mit Dir. Aber Du würdest vielleicht auch Anregung davon haben. Vor allem aber hätten wir dann doch ein paar Tage zusammen u. nach dem Fest wäre die Trennung von i nicht | mehr so schlimm. Bitte überlege es Dir. Die Geldfrage darf darin nicht entscheiden. Du mußt doch unsere Räume, die ganz auf Dich gebaut sind noch einweihen, ehe wir unsern Wanderstab in die andere Wohnung weitersetzen. - Außerdem lockt der j.

Wir sind nun etwas eingelebt u. fangen an zu gestalten. Es ist wie überall in der Kirche heute ein hartes Arbeiten, der Kern der Gem. sind dem Zustand der evg. K. entsprechend „ältere Damen“[.] Du weißt wie ich das liebe. Die große noch unentschiedene Frage ist, ob sich außer k u. l noch andere Kreise in die Gemeinde hereinfinden, welche neue Wege gehen wollen. Es ist mir oft, als ob meine Kraft doch zu schwach dazu wäre, Du würdest es eher schaffen. Doch muß man da ja erst Geduld haben.

Wir sind täglich unterwegs um Besuche zu machen u. es ist viel Stumpfsinn dabei, aber auch es ist als erste Rekognoszierung u. Anknüpfung ja unerläßlich. | Im Hause ist es gemütlich. m ist meistens munter u Du hast mit Deiner Trauerei kein Unglück angerichtet, sondern es war der richtige Weg, der gegangen werden mußte. Ich bin so froh, daß ich mehr Zeit für die Kinder habe, die immer vergnügt sind u. sich von der Zeiten Wirrnis nicht anfechten lassen. n hatte erst Schwierigkeiten in der ziemlich dämlichen Schule, aber seitdem ich dem Lehrer den Standpunkt klar gemacht habe, geht es besser. - Als fast täglichen Gast, haben wir im Haus einen Bruder von o, an dem ich das ganze Elend des „Bankproletariats“ studieren kann. Diese Frage wird allmählich brennender als die Arbeiterfrage. - So halb zum Hause gehört noch eine meiner früheren Frauenschülerinnen, die hier Nationalökonomie studiert u. den Unterhalt durch Hausarbeit in einer Familie erwirbt. Auch sonst gibt es allerlei Menschen, um die man sich annehmen muß. - Zum geschlossenen Studium komme ich wenig, dazu| braucht man eben doch auch die Möglichkeit, es wieder zu verwerten, wie Du sie in Deinen Büchern u. Vorlesungen hast. Doch habe ich p u q vorgenommen u. würde gerne mit Dir allerlei Unklarheiten besprechen. - Als Haushilfe haben wir eine Baltin, aus der Bermondtarmee, die in r u. s war u. also schief gewickelt genug ist. Mit einiger Schwierigkeit geht es mit ihr ganz ordentlich.

Ich freue mich, daß Deine Geldnöte immer wieder überwunden werden, u. habe die gute Zuversicht, daß es so weitergehen wird. Bei uns ist auch manchmal böse Ebbe, aber zum eigenen Erstaunen geht es immer wieder. Zweifellos aber stehen wir noch vor {pflaumigen} Zeiten u. wird noch manchmals große Augen machen! Hast Du eigentlich noch t gesehen, wie ich Dich in meinem Brief bat, oder hast Du ihn nicht erhalten! Es wäre mir sehr lieb, wenn ihr es tätet.| Sie ist sicher in Not u. hat es nötig, daß man sie aufmuntert, u kann sie vielleicht mal einladen. Was wohl v Schreibkünste machen. Zu gern möchte ich mal in euren Haushalt hineinsehen u. wie alles geht. Es ist ja solche Freude, daß euer Zusammensein so schön u. Deine Briefe trotz allem so vergnügt sind. Hoffentlich ordnet sich nun auch das Übrige vollends befriedigend u. wir können bald Hochzeit feiern, ich möchte euch solche ruhigere Lebensbahn von Herzen wünschen, wenn auch das Glück nicht davon abhängt.

w schreibt mir eben, daß sie nun näher an x komme, das ist ja für alle Teile erfreulich u. ich mag y es gönnen. Ich fürchte allerdings, daß die kirchlichen Verhältnisse dort auch nicht übel sein werden. Ich freue mich, daß z mit aa sich versteht, wenn ihm auch sicher die Umstände unheimlich sind. Aber die Hauptsache ist | ja, daß er etwas Entgegenkommen spürt. Grüße ab recht herzlich u. sag ihr, daß wir ihr Alles Gute wünschen u uns mitfreuen. Es kommt mir ja so kurz vor seit sie vor einem Jahr bei uns einzog u. sie wird froh sein, daß das Alles überstanden ist. Es war trotz allem eine schöne Zeit u. für mich so schön, daß ich sie so doch etwas kennen lernte u. wir auch darin weiter zusammenwandern. Es sind doch letztlich nur ein paar Menschen auf Erden, mit denen es sich lohnt zusammenzuleben, die übrige Menschheit ist eine entbehrliche Last. - Ich freue mich jedesmal, wenn ac hier durchkommt (letzten Montag war er wieder hier,) wenn man sich ohne viel Worte versteht. - Schicke mir doch auch immer Deine „Werke“ auch wenn es kleinere Sachen sind! Deinen Aufsatz über „Götterlästerung“2 erhielt ich nur durch Zufall auf Umwegen. Das ist nicht lieb. Zu Weihnachten wünsche ich mir die Hochzeitsrede.

Viele herzliche Grüße u schreib ob Du kannst. Es 3
Herzlichst Dein ad.

Fußnoten, Anmerkungen

1Konnte nicht ermittelt werden.
3umgeknickte Seitenecke.

Register

aFrankfurt am Main
bTillich, Paul
cSchlüchtern
dRosenstock, ???
eEhrenberg, Hans
fSchafft, Hermann
gBarth, Karl
hSchlüchtern
iTillich, Hannah
jTaunus
kRosenstock, ???
lBluntschli, Hans Hermann G.
mFritz (geb. Horn), Gertrude
nFritz, Eckehardt
oArlemann, ???
pBlumhardt, Johann Christoph
qTolstoi, Lew Nikolajewitsch
rSannerz
sHabertshof
tFritz (geb. Horn), Gertrude
uTillich, Hannah
vTillich, Hannah
w???, Elli
xBerlin
y???, Erhardt
zWerner, Jean Otto Nikolaus
aaTillich, Hannah
abTillich, Hannah
acSchafft, Hermann
adFritz, Alfred

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/143
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Frankfurt - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 5. Juli 1922
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 11. Dezember 1929

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 13. Dezember 1922, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00768.html, Zugriff am ????.

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L00768.pdf