Der editierte Text

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a, d. 28.I.21.
Lieber b,

c richtete mir heute aus, daß der d (im Kolleg) nun schon zur Hauptsache vorbei wäre. Da war ich sehr betrübt. Ich hatte mich so darauf gefreut, ihn einmal richtig, - Gestalt - | vor mir zu sehen. (Bei mir setzt sich eigentlich alles Hören in ein Sehen um.)

Aber nun kann ich auch heute nicht kommen. Es sind einmal wieder die nahen, nächsten Dinge so stark, daß ich nicht los komme - die großen grauen Häuser mit den vielen Fenstern, der graue Himmel darüber, die Menschen darunter, die Pferde | über das Pflaster hin, das Sirren einer Kreissäge irgendwo - Ich kann nur ganz offen stehen für alles, was strömt, - kann keine Bewegung tun, heraus aus dem Bannkreis -

Manchmal ist es auch anders. Manchmal laufe ich aus allem Nächsten heraus, geradewegs in eine Ferne. Ist das Denken? Ich weiß es nicht. Aber es ist schön. | Eigentlich möchte ich es doch noch einmal versuchen, Sie zu fragen, - vielleicht am Sonntag Abend, wenn e Sie nicht ganz mit Beschlag belegt, - was hat eigentlich solch ein Müssen, Lebenmüssen, überhaupt mit Dingen wie Studieren, Universität usw. tun? Könnte es ja als Kraft dort einmünden?

Ich liebe etwas an der | Universität. Vielleicht nur das: daß viele junge Menschen dort zusammen sind, auf etwas warten, - an etwas glauben, - vielleicht aufwachen, vielleicht anfangen. Und ich weiß, es sind auch solche Mädchen, - Frauen da. Und das läßt mich nicht los.
Und doch - hält mich auch nicht fest genug, daß | wirklich Form daraus wächst. Irgendwo gibt es ein Leben, das heißer ist, näher - ich verfalle ihm immer mehr. Und doch, - ich weiß, wenn es mich ganz hat, werde ich Sehnsucht haben nach dem, was ich nicht mehr habe. -

Damit der Zweck des Briefes auch erfüllt ist: Wir kommen Sonntag Abend nach 8. Freuen uns.

Ihre f

Fußnoten, Anmerkungen

Register

aBerlin
bTillich, Paul
cMennicke, Carl August
dPlaton
eMennicke, Carl August
fMennicke, Trude

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/166(7)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Berlin - unbekannt

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Trude Mennicke an Paul Tillich vom 28. Januar 1921, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00703.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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L00703.pdf