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den 20.09.1920

Hochgeehrter Herr!

Gut Ding will Weile haben und ein so umfassender Plan wie der von Ihnen aufgestellte auf das Sorgfältigste erwogen sein. Sie werden sich daher nicht wundern, daß wir erst heute zur Beantwortung kommen, zumal der Schreiber dieser Zeilen einige Zeit verreist war.

Einen Brief des Herrn Albers fügen wir bei, aus dem Sie ersehen, daß dieser im wesentlichen Ihrem Plane zustimmt, obwohl wir nicht wissen, ob Sie seiner Auslegung des Planes, bezw. seinen Gedanken über die Ausführung in allen Punkten oder im wesentlichen zustimmen.

Da uns jedoch noch erhebliche Bedenken aufstiegen, haben wir Ihren Plan auch noch Herrn Lic. Hirsch vorgelegt, womit wir wohl keinerlei Indiskretion begangen haben, zumal es ja Herrn H.irsch zu verdanken ist, daß wir mit Ihnen in Verbindung gekommen sind. Er hat nun aber nach sorgfältiger Ueberlegung sehr erhebliche Bedenken erhoben. Einmal meint er, daß der Themen zu viele seien, 30 Bände würden doch wohl reichlich sein. Sodann aber fürchtet er, daß den Mitarbeitern zu wenig Freiheit gelassen sei. Je bedeutendere Köpfe man heranziehen wolle, desto weniger dürfen sie eingeengt werden, ja eine solche Sammlung gewönne an Lebendigkeit und Wert, wenn einzelne Köpfe unlogische und unsystematische Besonderheiten hineinbrächten. Das wird vielleicht dem Systematiker nicht recht einleuchten, da es mehr Gedanken des Historikers sind, der mehr das Individuelle sieht und schätzt. Aber sehr beachtenswert ist sein Einwurf ganz gewiß. Jedenfalls würden wir mit H.irsch Bedenken tragen, diesen umfassenden Plan so zu veröffentlichen, sondern würden ihn mehr als Leitfaden für Ihre Arbeit betrachten. Für die Oeffentlichkeit wäre vielmehr ein anderer, allgemeiner und beweglicher Plan herzustellen, am besten nur ein kurzes Programm, mit dem Schluß: „Zunächst sind folgende Hefte in Aussicht genommen“. (unter Nennung von Titel und Bearbeiter). Bitte, überlegen Sie sich diesen Vorschlag einmal recht sorgfältig.

Im Einzelnen hat dann Herr Hirsch noch folgende Bemerkungen zu dem Entwurf gemacht, nennt auch für die einzelnen Hefte gleich einige Persönlichkeiten, ohne Rücksicht darauf, ob diese etwa zu gewinnen sein werden:

Thema 1 – 3 wichtig. Bei 2 vermißt er die Physiologie der Raumesempfindung die mit dem optischen Raum nicht erledigt ist.

Bei 3 würde er das Thema „Zeit und Ewigkeit“ vorziehen. Das Thema müßte von Jemandem bearbeitet werden, der nicht nur Mathematik und Physiologie beherrsche, daneben aber auch für das Metaphysische (Platonische) Sinn hätte.

Thema 4 wäre mit 1 verbindbar, 5 sei schon genugsam behandelt (Letzteres ist richtig, darum aber vielleicht ein Heft für unsere Sammlung nicht entbehrlich, es fragt sich nur, ob man gegenwärtig damit nicht besser etwas wartet).

Zu Thema 6 – 12 finden sich keine Bemerkungen. Diese scheint H.irsch als minder wichtig anzusehen.

Thema 13 würde, recht bearbeitet, ein sehr schönes Buch ergeben. Nur müßte man die Unsterblichkeit hinzunehmen.

15, 19, 21 erwünscht. Für 21: Bearbeiter: Medicus in Zürich.

29 besonders wichtig.

30 schon sehr oft behandelt (Dahinein schlägt auch wohl unser Natorp-Heft) Dem Aesthetischen sind seiner Ansicht nach gar zu viele Hefte zugedacht. Für 36 empfiehlt er Prof. Nohl, hier.

Der rechtsphilosophischen Hefte sind ihm zu viele. Und nach unsern praktischen Erfahrungen müssen wir das bestätigen, da unter den Juristen für Rechtsphilosophie nur minimales Interesse vorhanden ist und auch die Hauptkäufer, Theologen und Pädagogen, sich darum am wenigsten kümmern. Gierke und Stammler kämen etwa für zwei solche Hefte in Betracht.

Bei dem wichtigen Thema 42 wirft H.irsch die Frage auf, wie es gemeint sei. Zu unseren persönlichen Ansichten würde es wie die Faust aufs Auge passen, wenn Sie an eine Bearbeitung dieses Heftes im pacifistischen Sinne dächten. Wir drucken eben ein neues Buch von Hirsch mit dem Titel: „Deutschlands Schicksal. Staat, Volk und Menschheit im Lichte einer ethischen Geschichtsansicht“. Es würde sich vielleicht empfehlen, ihn zu fragen, ob er das Thema bearbeiten will.

Zu 44 schreibt er: Stammler.

Für die Philosophie des Sittlichen genügten 1 bis 2 Hefte.

59 erscheint H.irsch neben 57 und 58 überflüssig. Es scheine ihm fast, als ob der Gottesglaube unter dem Mythos untergebracht werden solle. (Eine Auffassung, die ja der von Albers geäußerten diametral entgegengesetzt sein würde.)

Für 58 und (oder) für 61 schlägt er Heiler in Marburg vor, für 63 Foerster in Frankfurt.

Die nicht erwähnten Hefte hält H.irsch also für minder wichtig oder überflüssig. Besonders bemerkt er noch zu 43 und 53 (letzteres modernes Diskussions-Thema) „Kann wegbleiben“. Dagegen fehlt ihm ein Thema über Geschichtsphilosophie, etwa von G.eorg Mehlis in Freiburg.

Wir haben geglaubt, am besten zu tun, Ihnen gleich mit einigen Bemerkungen von uns versehen, Hirschs Kritik ungeschminkt vortragen zu sollen. Im wesentlichen möchten wir seinen Vorschlag bezüglich der Aufstellung des Planes befürworten, ohne im einzelnen in der Kritik so weit zu gehen. Denn wir befürchten, daß das von Ihnen mit staunenswerter systematischer Fähigkeit, Liebe und großer Kunst hergestellte Kleid sich zu einer Zwangsjacke gestalten könnte, die Mitarbeitern und Herausgeber vielleicht unbequem werden könnte. Wir hoffen, daß Sie sich durch diesen Einspruch nicht entmutigen lassen. Die Hauptsache ist ja nicht die Durchführung eines systematischen Planes, sondern die Schaffung lebensvoller Einführungen in das philosophische Denken. Daß mit der Aufgabe der Systematik wenigstens für die Oeffentlichkeit die Einteilung in Serien fortfallen würde, betrachten wir vom verlegerischen Standpunkt als einen Vorzug. Die einfache Nummerierung der Hefte ist der Serien-Einteilung vorzuziehen.

In der Hoffnung und Ueberzeugung, daß wir auf der von Ihnen erst einmal gegebenen Grundlage zu einem gedeihlichen Ausbau der Sammlung kommen werden, sind wir mit hochachtungsvoller Empfehlung ergebenst

Bemerkt sei noch, daß wir mit Ihren Ausführungen über die Bearbeitung der einzelnen Hefte, daß jedes einzelne von vorn anfangen und zum Ziel führen müsse, im allgemeinen einverstanden sind, was im einzelnen Falle natürlich nicht ausschließt, daß ein Heft auf das andere Bezug nimmt. Daß dabei auch Widersprüche vorkommen werden, ist wohl kein Unglück.

Mit der Festsetzung eines billigeren Abonnements-Preises haben wir bei ähnlichen Unternehmungen keine gute Erfahrungen gemacht, da die Abonnenten meist sehr unsicher sind und es praktisch unmöglich ist, sie ihrerseits zur Innehaltung der Verpflichtungen anzuhalten. Zu erwägen bleibt, ob man etwa bei Bezug des Ganzen oder einer bestimmten Anzahl von Heften einen prozentualen Nachlaß festsetzen soll.

Ueber alles Weitere nach Erledigung der Planfrage. Nach wie vor legen wir besonders Gewicht darauf, daß recht bald ein oder zwei Hefte von Ihnen erscheinen könnten.

D. O.
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    Literatur:

    • Hirsch, Emanuel, Deutschlands Schicksal. Staat, Volk und Menschheit im Lichte einer ethischen Geschichtsansicht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1920.