Der editierte Text

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Lieber Junge (Details anzeigen)!

Beiliegenden Beitrag zur Stärkung unserer philosophischen Zukunft möchte ich einen Gruß beifügen. Ich habe so lange nichts von Dir gehört u hoffe nur, daß es Dir gut geht u Du wirklich nun in stiller Gelehrtenklause fern allem {Menschengetu} und in hohen Geistessphären lebst. Ich bin auch ganz überzeugt, daß das der richtige Ausdruck für Dein gegenwärtiges Dasein ist??? Sehr freue ich mich, daß wir uns nun bald in Dölzig (Details anzeigen) wiedersehen u hoffe, es wird eine recht schöne Zeit zusammen.

Von Joh. (Details anzeigen) habe ich gute Nachrichten, sie| hat viel Schönes u. lebt scheints ordentlich auf, fern all dem deutschen Elend. Hoffentlich hält es nun auch recht vor mit der Erholung.

Mir selbst geht es befriedigend u Ich habe jetzt etwas ruhigere Zeit u. genieße das Alleinsein, aber nicht das Getrenntsein von Johanna (Details anzeigen) das ist doch zu unnatürlich. - Bitte nehme nach Dölzig (Details anzeigen) einige Litteratur mit, die für uns lesenswert ist, ich muß in den Ferien meinen Geist wieder für ein Jahr verproviantieren, denn im Betriebe kommt man schwer dazu.

Wie ist wohl eure Geschichte mit dem Consistorium abgelaufen, ich hörte nie mehr davon. Falls Du noch mehr Brotkarten brauchst, schreibe doch, wieviel Gramm Du wöchentlich mehr nötig hast, ich will sehen, es Dir zu senden.

Herzlich grüßt Dich

Dein Frede (Details anzeigen).

2.
Eben wollte ich den Brief absenden, da kamen Deine lieben Zeilen. Vielen Dank. Wir haben all Dein Erleben innerlich miterlebt u verstanden u. ich glaube, es ist gut, weil in der Konsequenz Deines Weges. Wie wünsche ich Dir nun auch äußerliche Lösung all der Knäuel, und einen Hafen für das weitgefahrene Schifflein, der doch wie ein Ententeich sein wird. Daß Dir dieser Zustand manchmal nicht leicht wird, kann ich mir denken, aber die innere Freiheit u. auch die Erholung u Entspannung Deiner Nerven ist das wert u. vor allem kannst Du nun erst im Leben in {¿¿¿} kindlich froh werden. - Daß Deine Arbeit fortschreitet, begrüße ich, wie Du schon aus meinen ersten | Zeilen siehst, sehr. Es ist doch das Wichtigste, daß Du das was in Dir lebt, Gestalt gewinnen läßt. - Nun laß Dich nicht zu sehr durch Berlin W (Details anzeigen) über diesen Entschluß, der selbstverständlich ist, bewundern sonst kommen {7} neue Teufel statt des einen ausgetriebenen.

Ich lese mit Interesse {Imm. Fichtes (Details anzeigen)} Buch u. bewundere die Klarheit seiner Gedanken u Sprache, ohne innerlich mitgehen zu können, der Unterschied liegt nicht im Logischen, sondern im Lebensgefühl. Sein {stark} ethisches Lebensgefühl ist mir fremd, besonders ist mir der Glaube daß wir das Leben äußerlich {können} doch zu gründlich {zerschlagen}, als daß ich da mit ihm gehen könnte.|

Sein tapferes Wort auf {Str.} 141. ist mir zu sehr im Blick auf das was werden oder besser erschafft werden soll gesprochen, anstatt im Hinblick darauf, wie das gegenwärtige Schicksal getragen u. ins Positive gewendet werden soll. Nicht was wir uns als Schicksal {erringen}, s. was wir uns dann ohne uns waltenden Schicksal machen scheint mir entscheidend. Wie freue ich mich, Weihnachten Deine Meinung über das Buch zu hören.

Gerne hätte ich Dich gebeten, dich um Gertrud I. (Details anzeigen) etwas zu kümmern. Aber ich möchte nicht in Deine Askese ein bedenkliches Loch schlagen, sollte es irgendwie möglich sein etwa an einem Studentenabend, so wäre ich Dir dankbar, ich bin ja dauernd in ihrer Schuld. Vielleicht hast Du auch mal Sehnsucht nach Musik. - Doch nur, wenn es in Deinen | jetzigen Lebensstil paßt.

Und nun alles Gute für die {kommenden} Wochen. Unsere Gedanken werden oft um Dich sein, denn der Kreis derer die man restlos bejahen kann, ist nicht sehr groß.

Herzlich grüßt Dich

Dein Frede (Details anzeigen).

Ein Küßchen von Gerda (Details anzeigen)! Das ist ja selbst den {¿¿¿} noch erlaubt.


Fußnoten, Anmerkungen

Register

aBremen
bTillich, Paul
cDölzig
dFritz, Johanna
eFritz, Johanna
fDölzig
gFritz, Alfred
hBerlin
iFichte, Johann Gottlieb
jImmow, Gertrud
kFritz, Alfred
l???, Gerda

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/143(15)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Bremen - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Alfred Fritz vom 17. Oktober 1914
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 30. Juli 1919

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 12. Juli 1919, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00625.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

{{Internetquelle |url=https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00625.html |titel=Brief von Alfred Fritz an Paul Tillich vom 12. Juli 1919 |werk=Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition. |hrsg=Christian Danz, Friedrich Wilhelm Graf |sprache=de | datum=12.07.1919 |abruf=???? }}
L00625.pdf