Brief von Paul Tillich an Marie Tillich vom 16. November 1916

Zum TEI/XML DokumentAls PDF herunterladen

Der editierte Text

|
D. 16. Nov. 1916.
Mein liebes a!

Nachdem ich nun mehr seit August keine Nachricht mehr von der Neuenburgerstr.1 bekommen habe, wohl aber einen Brief von d aus e, will ich meine Zuflucht zu Dir nehmen. Denn ich weiß, daß wenn auch f und g, h und i einen vergessen, die j doch immer des k gedenkt, der sie und den sie auf den Armen getragen hat! Ich freue mich, daß Du in der Neuenburgerstr. bist; es ist mir ein lieber Gedanke, Euch alle zusammen zu wissen, und ich sehe ordentlich die Gemütlichkeit vergangener Zeiten, von denen ich hoffe, daß sie| auch jetzt nicht fehlt. Ich beneide den oder die, der den Platz zu Deiner Rechten hat, meinen Stammplatz, den ich wohl noch einmal einnehmen möchte! Ich habe mich etwas geängstigt, als ich hörte, daß es Dir nicht ganz gut ginge, und ich freue mich um so mehr, daß [Du] nun wieder in Ordnung bist, meine liebe junge l! – Ist m noch in n? Sie liebt diese große Kleinstadt ja sehr, wie ich auch, sie wegen der Menschen, ich wegen der Schiffe! -- Über o und p habe ich nicht mal einen dunklen Begriff. Ob q, r| oder s ist mir völlig unbekannt. Ob t zurück ist und sonstige neugierige Fragen darf man wohl gar nicht mehr stellen.

Ich wohne in einem netten Blockhäuschen im Aisnetal, nicht weit von den u. Es ist ruhig und friedlich hier, infolgedessen viel Predigtarbeit, aber auch viel Zeit; so daß ich sogar noch etwas zu wissenschaftlichen Sachen komme, was dem Geist wie der erste Tropfen Milch dem Heißhungrigen ist. Aber man muß langsam essen, so entwöhnt ist man der reinen Vernunft.

Daß wir die v2 hinter uns haben,| hast Du wohl gehört; es waren schwere Tage für die Truppen und ernste Tage für uns. Hoffentlich bleiben wir noch lange hier in der ruhigen Stellung. x war ein schwerer Schlag für uns. Nicht nur, daß alles verloren ist, was auch unsere Division gewonnen hat, sondern noch darüber hinaus sind sie gekommen. Und das mit ganz geringen Verlusten, nicht den hundertsten Teil von dem, was es uns gekostet hat. Auch über y ist außer mir, der einen gewissen romantischen Idealismus hat, jeder entsetzt ---- Wie gern würde ich mit Dir über all das reden, oder vielmehr Deine temperamentvollen Fragen hören, wenn z und ich reden --- Es war einmal, alles war einmal.

Dein treuer aa.

Fußnoten, Anmerkungen

1In der Neuenburger Straße 3 in b war das Pfarrhaus von c.
2w bezieht sich auf die Schlacht an der Somme, die vom Juli bis Mitte November 1916 andauerte.

Register

aTillich, Marie
bBerlin
cTillich, Johannes Oskar
dTillich, Margarete
eStettin
fTillich, Johannes Oskar
gWinkler, Toni
hFritz, Johanna
iFritz, Alfred
jTillich, Marie
lTillich, Marie
mTillich, Margarete
nStettin
oFritz, Alfred
pFritz, Johanna
qBerlin
rButterfelde
sBremen
tFritz, Alfred
uArgonnen
vSomme (Fluss)
wTillich, Paul
xVerdun
yPolen
aaTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/193(21)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
unbekannt - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Marie Tillich vom 29. Februar 1916

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Marie Tillich vom 16. November 1916, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00519.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

{{Internetquelle |url=https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00519.html |titel=Brief von Paul Tillich an Marie Tillich vom 16. November 1916 |werk=Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition. |hrsg=Christian Danz, Friedrich Wilhelm Graf |sprache=de | datum=16.11.1916 |abruf=???? }}
L00519.pdf