Brief von Paul Tillich an Erich Pfeiffer vom 6. November 1916

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Der editierte Text

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Gegeben am Tage nach der Gründung des Königreichs Polen.1
Lieber Collége a!

Gestern war der Tag Ihres Gedenkens! Zum ersten Male wieder Musik! Klavier aus Divisions-Kasino II. b u. s. w. Ich gab ihm den Zettel, den Sie mir in c diktierten près du rouge diable... und die Vergangenheit ergriff mich. Und schließlich sagte ich mir im Gedanken an all unsere Erlebnisse: Ohne Romantik zerfällt das Leben in Pflichten und Zoten! Und ich sehnte mich nach Romantik; und diese Sehnsucht trieb mich, Ihnen ein paar Worte zu schreiben. Viel ist nicht möglich! Denn die Arbeit frißt alles! Um Ihre d Erlebnisse beneide ich Sie, aber nicht im Vergleich mit e, was noch viel netter war! – Für mich genügt mein Dauerausweis; Urlaubsschein ist wohl nicht nötig. Fahrscheine will f nicht geben, da er es nicht für unbedenklich hält. Sie werden sie ja im Ernstfalle auch dort bekommen! – g bittet Sie, falls Sie den Text von La Paloma2 haben, ihn mir zu schicken; er ist schon längere Zeit auf Suche danach. Ich dachte an den Abend in h, wo Sie es zur Laute sangen! – Hier ist alles ganz ruhig; i war 14 Tage auf Urlaub und kommt| heute zurück. Er ist nicht mehr der alte; doch er ist älter geworden. Hinzu kommt, daß er viel Reißen3 hat; und darum ist alles nicht mehr so gemütlich j.4 Jetzt war es dringend nötig, daß er fuhr. Selbst l, den er noch am besten behandelt, sagte, er wäre in den letzten Tagen unleidlich gewesen. Hoffentlich hat er sich etwas erholt! – Ich denke in den nächsten Tagen mal nach m zu fahren, um für n Einkäufe zu machen. Wenn irgend möglich, werde ich natürlich o besuchen und sie intensiv von Ihnen grüßen! – Wir wohnen hier in p am Abhang nach den Aisnewiesen zu in Blockhäusern mit Blick auf q Wir sind sehr befriedigt. Aber r möchte in ein Haus, obgleich es keins gibt. – Den Brief5 bitte ich Sie abzugeben und wenn irgend möglich, einen s mitzunehmen. t ist ein liebes kleines Mädel. Seien Sie recht nett und nicht allzu aggressiv zu ihr; sie tut mir im Grunde Leid! Ihre Adresse ist: u v Mons en Baroulle rue sprier-Tellier 4. Zu erreichen durch Linie F. Viel Glück und Vergnügen! Was macht w? Noch kann ich. Aber lange wirds wohl nicht dauern, daß wir hier bleiben.

Viele herzliche Grüße,
Ihr x

Fußnoten, Anmerkungen

1Das Regentschaftskönigreich Polen bestand de facto im Ersten Weltkrieg vom 5. November 1916 bis zum 11. November 1918 auf dem unter der Kontrolle der Mittelmächte stehenden Gebiet, der seit dem Wiener Kongress 1815 zum Russischen Kaiserreich gehörenden Provinz Weichselland bzw. „Kongresspolens“.
2Schon seit einem halben Jahrhundert existierte eine deutsche Textversion zum Originals des Basken Sebastián de Yradier y Salaverri (1809 - 1865). Die eingängigen Zeilen ‚Mich rief es an Bord, es wehte ein frischer Wind‘ stammen vom Mainzer Musikdirektor Heinrich Rupp (1838 - 1917), der sich auf den ‚La Paloma‘-Text des Franzosen Joseph Tagliafico (1821 - 1900) stützte. Der Pariser Opernsänger hatte das spanische Sehnsuchtslied zu einem Seemannslied umgeschrieben.
4k ist der Titel einer populären Operette von Walter Kollo aus dem Jahr 1913. Das Setting (Berlin in den Jahren 1838-1913) und die Thematik von Liebschaft und Standesdünkel erfreuten sich großer Beliebtheit und gaben Anlass zu allerlei Nostalgie und Kaiserreichsromantik, für die der Titel der Operette sinnbildlich wurde.
5Liegt nicht vor.

Register

aPfeiffer, Erich
bLinke, ???
cCharleville-Mézières
dSaint-Quentin
eLille
fMeier, ???
gLinke, ???
hBanteux
iBonin, Henning von
jKollo, Wie einst im Mai: Operette, None
kKollo, Wie einst im Mai: Operette, None
lSchurich, ???
mCharleville-Mézières
nEbermann, Arthur
oPfeiffer, Suzanne
pVaux
qMouron
rBonin, Henning von
sBrief von Rahel Martel an Paul Tillich vom 19. November 1916
tMartel, Rachel
uMartel, Rachel
v4 Rue Spriet Tellier, 59370 Mons-en-Barœul, Lille
wBelgien
xTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
USA, Cambdridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/174(39)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
unbekannt - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Erich Pfeiffer vom 19. Oktober 1916
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Erich Pfeiffer an Paul Tillich vom 26. Juli 1918

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Briefe

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Erich Pfeiffer vom 6. November 1916, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00518.html, Zugriff am ????.

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