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Gegeben am Tage nach der Gründung des Königreichs Polen.1]

Lieber Collége Erich!

Gestern war der Tag Ihres Gedenkens! Zum ersten Male wieder Musik! Klavier aus Divisions-Kasino II. Linke u.s.w. Ich gab ihm den Zettel, den Sie mir in Charleville diktierten près du rouge diable... und die Vergangenheit ergriff mich. Und schließlich sagte ich mir im Gedanken an all unsere Erlebnisse: Ohne Romantik zerfällt das Leben in Pflichten und Zoten! Und ich sehnte mich nach Romantik; und diese Sehnsucht trieb mich, Ihnen ein paar Worte zu schreiben. Viel ist nicht möglich. Denn die Arbeit frißt alles! Um Ihre Quentiner Erlebnisse beneide ich Sie, aber nicht im Vergleich mit Lille, was noch viel netter war! – Für mich genügt mein Dauerausweis; Urlaubsschein ist wohl nicht nötig. Fahrscheine will Meier nicht geben, da er es nicht für unbedenklich hält. Sie werden sie ja im Ernstfalle auch dort bekommen! – Linke bittet Sie, falls Sie den Text von La Paloma2] haben, ihn mir zu schicken; er ist schon längere Zeit auf Suche danach. Ich dachte an den Abend in Banteux, wo Sie es zur Laute sangen! – Hier ist alles ganz ruhig; Exzellenz war 14 Tage auf Urlaub und kommt | heute zurück. Er ist nicht mehr der alte; doch er ist älter geworden. Hinzu kommt, daß er viel Reißen hat; und darum ist alles nicht mehr so gemütlich wie einst im Mai.3] Jetzt war es dringend nötig, daß er fuhr. Selbst Schurich, den er noch am besten behandelt, sagte, er wäre in den letzten Tagen unleidlich gewesen. Hoffentlich hat er sich etwas erholt! – Ich denke in den nächsten Tagen mal nach Charleville zu fahren, um für Ebermann Einkäufe zu machen. Wenn irgend möglich, werde ich natürlich Suzanne besuchen und sie intensiv von Ihnen grüßen! – Wir wohnen hier in V. am Abhang nach den Aisnewiesen zu in Blockhäusern mit Blick auf M. Wir sind sehr befriedigt. Aber Exzellenz möchte in ein Haus, obgleich es keins gibt. – Den Brief4] bitte ich Sie abzugeben und wenn irgend möglich, einen Antwortbrief mitzunehmen. Es ist ein liebes kleines Mädel. Seien Sie recht nett und nicht allzu aggressiv zu ihr; sie tut mir im Grunde Leid! Ihre Adresse ist: Rahel Martel Lille Mons en Baroulle rue sprier-Tellier 4. Zu erreichen durch Linie F. Viel Glück und Vergnügen! Was macht Belgien? Noch kann ich. Aber lange wirds wohl nicht dauern, daß wir hier bleiben.

Viele herzliche Grüße, Ihr
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    Personen:

    Orte:

    Literatur:

    • Kollo, Walter/Bredschneider, Willy, Wie einst im Mai (Operette), Uraufführung am 4.10.1913, Berliner Theater, Berlin.