Brief von Henning von Bonin, Erich Pfeiffer, Arthur Ebermann und Kapell an Paul Tillich vom September 1915

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Gegeben Schloß Juvigny Bar, September 1915

Steck- und Geleitbrief.

1]

Seit einiger Zeit erregt in hiesiger schöner Gegend im Herzen Frankreichs und an anderen, beinahe auch Herzen ein junger Herr berechtigtes Aufsehen:

Derselbe behauptet, nicht etatsmäßiger, gänzlich überzähliger, einjährig freiwilliger, beinahe Divisionshülfspfarrer der evangelischen Kirche zu sein.

Diese Behauptung war bisher durch nichts bewiesen und ist auch bis heute nicht erwiesen, wenngleich er die vorbesagte Gegend bei Tag und bei Nacht in Begleitung eines ganz blassen – also vermuthlich kranken Pferdes in schnellsten Gangarten durchstreift.

Ferner giebt derselbe an, nach den höchsten Ehrenposten der Universität Halle, noch dazu an der Saale, zu streben. Dieselbe kannte den jungen Herren aber wohl schon aus Zeiten seiner früheren Jugend und hatte in richtiger Kenntniss seiner inneren und äusseren Weisen jeden Verkehr mit ihm ein für alle Mal abgelehnt, obgleich er versucht habe, die besonders strenge theologische Facultät durch eine möglichst unwissenschaftliche Arbeit eines Uebermenschen zu bethören.

2]

Nun kam dieser Herr – immer noch derselbe – allerdings etwas verspätet wie das solch gelehrten| Herren ja leider öfter begegnet, in den Krieg nachgereist und wurde hier der strengen Ueberwachung wegen – man war sofort höchst mißtrauisch gegen ihn – einer Division überwiesen, bei welcher er nun seine Lehren – die aber bald als Irrlehren erkannt wurden – durch vieles Schweigen zu verbreiten suchte.

Er machte sich hier aber besonders dadurch höchst verdächtig, daß er seine Neigung zum Alkohol und anderen bösen Lastern durch eine, durch häufige Einnahme von alt sächsischem Blümchenkaffee besonders gestärkte Freundschaft mit dem Justitiar dieser Behörde zu bemänteln versuchte.

Dieser erkannte ihn aber sofort richtig und, da er allen Bestrebungen, die seine fast ausgeschlossene Besserung herbeiführen sollten, durch um so heftigeres Umrühren in seiner Kakaotasse zu begegnen wußte, wurde er der beim Stabe der 14. Reserve Infanterie Brigade eigens für ihn eingerichteten Trinkerheilanstalt überwiesen.

Wie zu erwarten, trieb hier nun die gänzliche Entziehung des Alkohols bei dem Inculpaten die furchtbarsten Blüthen.

Beim Enpfang zur Feststellung seiner höchst zweifelhaften Persönlichkeit über seine Abstammung befragte, behauptete er – wie er solches an vielen körperlichen und geistigen Merkmalen er sich selbst klar beweisen könne – in direkter und indirekter Linie, väterlich und| mütterlich vom "Affen" abzustammen. Er bestätigte nun diese Genealogie durch seinen eigenartigen Lebenswandel:

An einem Augusthage – es soll der 20. gewesen sein – ließ er sich plötzlich in höchst auffälliger Weise befeiern,3] und that so, als wenn er ebenso wie andere Menschen geboren wäre, was doch bei seiner Entwicklungstheorie höchst zweifelhaft. Er könnte doch nur einen Tag höchster Entwicklung feiern.

Einige Neigungen seiner Urzeitväter waren ja in vortrefflicher Weise ihm haften geblieben. Wenn er an einem Baum vorüberging, war er nur mit Mühe vom Beklettern desselben abzuhalten; waren nun gar Nüsse oder Aepfel auf dem Baum, war er nicht zu halten und er knackte dann Nüsse mit den Zähnen und war am possierlichsten beim Apfel essen. Den Beweis seiner Abstammungs- und Entwicklungstheorie schien er täglich von Neuem zu bringen, namentlich da er in seinen Wahnvorstellungen über seine Weiterentwicklung bei sich die Anfänge einer Schachfigur [rothhaarige Königin] feststellen zu können glaubte, was ihm bei dem fast allabendlich geübten Viererschach natürlich sehr zu statten kam.

Manchmal – aber sehr selten – behauptete er, sogar trotz seiner Jugend bereits verheiratet zu sein, was aber durch seinen Wandel nicht in die Erscheinung trat; auch schien er es längst zu bereuen, da er sich doch auffallend schnell nach der Trauung von seiner jungen Frau entfernte|

Wir haben uns daher entschlossen, Erhebungen über seinen Werdegang in der Heimath durch ihn selbst anstellen zu lassen, wohin ihn zu schicken, um so nothwendiger geworden ist, als er in sehr richtiger Erkenntniß seiner nur bedingten Geeignetheit zum Secierdocenten den zwar kühnen aber wegen jeglichen Mangels an Talent durchaus berechtigten Entschluß gefaßt hat, in Berlin oder Halle eine Bar aufzuthun, wozu er in einem von ihm besonders geschätzten Dorfe in Nordfrankreich eine Musterbar versuchsweise eingerichtet hatte. Da er zum Entsetzen seiner jungen Frau zugiebt, im Nebenamt Innendecorateur, auch ohne Talent, zu sein, wird er sich nunmehr damit beschäftigen, das Leben in allen Bars sämmtlicher kriegsführender Großstädte bei Tag und bei Nacht eingehend zu studieren, worin er einige Vorkenntnisse und Uebung zu haben behauptet, wobei er auch die Pairität der deutschen Sprache durch Neueinstellung von ihm selbst erfundener Redensarten durchführen will.

Um all diese vielen Mängel von Grund auf zu beseitigen, wird Inculpat hierdurch auf drei Wochen nach Deutschland verbannt, wo er durch Behandlung einer jungen Frau auf den rechten Weg zurückgeführt werden soll, wahrscheinlich ein vergeblicher Versuch! Wenn er sich nicht schnell bessert, kann er ganz da bleiben oder unfranciert zurückgeschickt werden, da er hier in alle Franz. Villards große Luftlöcher stößt und bei seiner eigenartigen Abstammung ohnehin von seiner Gattin kaum wieder aufgenommen worden war. Der Tour-Jugend-Lieder Ablehnungs Ausschuß: Abtheilung A., Abtheilung I, Abtheilung II,x [Abtheilung IIIa zur Zeit schreibunkundig der er zu viel schreibt] Abtheilung IIIb

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