Brief von Gilbert van der Smissen an Paul Tillich vom 23. November 1907

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Der editierte Text

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a d. 23. XI. 07.
Liebes b!

Eigentlich bist Du ja noch nicht an der Reihe bei mir u. eigentlich bist Du ja derjenige, welcher mal schreiben könnte. Aber da Du sicher sonst viel zu tun hast, so will ich nicht so sein u. vielleicht reagierst Du auch mal, wenn Du gut aufgelegt bist!

1) für die verschiedenen Typs vielen Dank, Du hast eine infame Art, sehr gut passende Sprüchlein herauszufinden. Ich weiß allerdings nicht, ob Du gerade den Sinn hineingelegt hast, den ich herausexegesiert habe, dann wäre ich ganz zufrieden. Mein Typ bekommst Du vielleicht zu Weihnachten, vergessen tue ichs nicht, werde mich aber wohl neu typen lassen, so dauerts etwas länger. Also die Verbindung d. W. S. 07/08, die Du wahrscheinlich durch die verschiedenartigsten mehr oder weniger rosigen Brillen schon gesehen hast, nun auch noch durch meine Brille! Wohnhaft Blumentalstr. 23, bei Frau c und – d, erstere für das leibliche Wohl des Menschen sorgend, letzterer| Quelle geistiger Versorgung. Jetzt wo es so kalt ist, wird die Bude vorne garnicht mehr geheizt, so hocken wir sehr oft, d.h. immer wenn wir überhaupt zu Hause sind, bei einander, meistens zwar beide eifrig i. die Arbeit vertieft aber auf einmal ist dann doch das Gespräch da und man profitiert manches nicht nur Theologisches. Der gute Kerl klagt einem nur fast täglich die große Litanei vor von der wenig Arbeit von der grenzenlosen Unwissenheit, den schrecklichen Examensaussichten, dem glänzenden Durchfall durchs Examen und der ewigen Schande bis auf Kinder u. Kindeskinder. Er hat ja nun auch sehr viel zu tun, wenn er auch keine Statuten revidiert, so hat ihm die dumme Erl. Sache doch viel Zeit gekostet. Übrigens ist das Neuste, daß Aussicht vorhanden ist, daß e doch auf den Tüb. Vermittlungsantrag eingeht, dann sind wir wenigstens den Bd. Punkt los. – Es ist wirklich famos wenigstens in bezug auf die Konfusion. f konnte ich i. vorigem Winter noch nicht so genießen, wie ich das jetzt beim x1 kann. Eine Treppe höher wohnt dann g, der ein Virtuos auf dem Klavier ist, auch zu der ungelegensten Zeit und noch| eine Treppe höher die geheiligte Bude mit dem freundlichen Ehepaar, bei dem ich auch oft herumliege. Im selben Stock wie wir wohnt dann noch der kleine h über den ich nicht proleten will. Von dieser sicheren Basis aus läßt sich dann gut mit den anderen l. Br. auskommen, da kommt dann die ganze Reihe der begabten Leute i. ganz allmählicher Abstufung: i, j, k, l, m usw. Es laufen jetzt so viele feine Berliner in n herum, daß man den ganzen Bund damit verseuchen könnte. Übrigens wie geht es mit dem Hallenser Unkraut unter dem Berliner Weizen? Von außerordentlichen Ereignissen sind zu berichten, daß o einen Lbfx gezeugt hat und der Konvent dies einstimmig genehmigt hat. Eine sehr peinliche Sache ist, daß wir ein 4. Sem. (ich will Dir den Namen nicht nennen) wegen offensichtl. Betrunkenheit nach der Inoffiziellen im Kaiser Wilhelm mit 14 Tagen Stimmrechts u. Kouleurentziehung bestrafen mußten. Schnaps, Bier, Sekt – – 1/2 2h.

Soviel ich die Verbindung übersehen kann, lebt alles i. schönstem Frieden. einige Leute glänzen z. B. p, der mit rührendem Eifer sich beim Keilen betätigt hat und| sich immer noch mächtig um d. Confuxia2 kümmert. Letztere gefällt mir bis jetzt sehr wenig d. h. eine ganze Reihe der Krassen die z.T. furchtbar komplizierte Leute sind, andern täte die Kleinkinderstube furchtbar nötig. Aber eine ganze Reihe sind ganz famose Kerle. Die meisten sind nun schon unter den nötigen Hut gekommen, einige laufen noch ledig herum. "Große Schnauze rediviva" Redaktion q, Erfolg durchschlagend. "Rede an den christlichen Adel wingolfitischer Nation von des wingolfitischen Standes Besserung." r, hohe Glanzleistung! Gestern war Examenskneipe von s, der mit genauer Not u. einer "3" durchgekommen ist. Die Uhr ist 1/2 12h. Eigentlich habe ich noch Stoff auf Lager für mindestens weitere 6 Seiten, aber morgen fahre ich nach t und i. d. nächsten Tagen komme ich nicht mehr zum Schreiben, da mag erst mal dieses Bruchstück abgehen. Wenn Du mir aber auch mal schreibst, will ich mich verpflichten, das heute Vorenthaltene noch vor Weihnachten vom Stapel zu lassen wenn nicht ... so nun kommts, Sag’ mal Du hast mich doch mal eingepumpt. Nun wollt ich mal ganz bescheidentlich angefragt haben ob ich das auch mal tun darf, entweder auf der Rückreise vor Weihnachten oder auf der Reise u-v gleich nach Neujahr. Bloß gemütlich solls sein!? Wenn auch nicht lange! Wir schließen vielleicht schon Dienstag, da ginge es vielleicht noch. Aber das mußt Du ja wissen! w läßt schön grüßen!

Mit herzl. Gruß Dein getr. x.

Grüße die Leute dies nötig haben bes. y.


Fußnoten, Anmerkungen

1Als X bezeichnet man einen Erstchargierten oder Fux. Der X fungiert als Sprecher der Verbindung.
2Als 'Confuxia' bezeichnet man die im selben Semester dem Bund begetretenen Studenten.

Register

aHalle (Saale)
bTillich, Paul
cSchotte, ???
dBalke, Hans
eErlangen
fMeyersieck, Joh.
gBlech, George
hBertheau, Hans
iRöhricht, Eberhard
j???, Claus
kArend, ???
lHensmann, Amos
mVethake, Hans
nHalle (Saale)
oStruckmaier, ???
pMensching, ???
qNickelby, C.
rNickelby, C.
sBensch, ???
tLeipzig
uHamburg
vHalle (Saale)
wBalke, Hans
xVan der Smissen, Gilbert
yWitte, Hermann

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/186(49)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Halle - unbekannt
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Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Gilbert van der Smissen an Paul Tillich vom 23. November 1907, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00246.html, Zugriff am ????.

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