|
Manebach. Kletts Hotel d. 25.VIII.07.

Liebes Paulchen!

Für Deinen Brief1] vielen Dank. Ungefähr hast Du gemerkt, wie's gedacht war. Die Genesis der Sache war furchtbar einfach, indem der gute Terbner i. Leipzig allen Studikern in Halle u. a. auch Dir u. mir seinen Katalog zuschickte, indem mir das Bild vom Teufel auffiel; darauf suchte ich weiter u. fand alle Bilder sehr passend für eine Vita Pauli, was nicht weiter viel Mühe machte, nur warf ich dabei einen Topf mit Tischleim um, was aber keinen großen Schaden anrichtete. Eine Reise des großen Werkes hat aber meinen Segen nicht. Übrigens habe ich Dich bei jedem Bild u. Vers furchtbar ausgelacht, wovon die Verse nur ein schwacher Abglanz sind. – Daß Du dich endlich mit dem Alkohol einlassen willst, finde ich höchst richtig u. heilsam. Hier in der Tannenwüste bin ich natürlich mit nichts| ausgerüstet. Wenn Dir am baldigem Haben liegt, so nimmst Du das Berliner Adreßbuch, suchst Dir ein Guttemplerlagerhaus od. ein Blaukreuzheim, gehst hin u. kaufst Dir für 10 Pf. "Die Alkoholfrage" von Bunge, dann wissen die Leute schon Bescheid. Darin steht sehr viel drin, schön kurz zusammengefaßt und enthält noch eine Literaturangabe über speziellere Fragen. Aber das erste wird Dir genügen. Wenn Du Zeit hast, will ich dir was schicken, wenn ich in 4-5 Wochen nach Hause komme. Also hier in Manebach sitze ich seit dem Anfang der Ferien u. erziehe Kinder. D.h. ich bin hier mit meinem Sohn, einem Manne von 43 Jahren, die Sache hat sehrseine ihre zwei Seiten. Denn der Mann ist epileptisch und meine Aufgabe besteht darin, auf ihn zu passen, daß ihm kein Anfall noch Gefahr zustoße. Das hat am Tage selten Not nur ist er auch etwas gelähmt und daher unbehülflich. In der Nacht lasse Ich ihn schreien, so viel er will. Übrigens| ist er sonst ein ganz manierlicher Herr, nicht "unästhetisch", wie wahrscheinlich Lorenz Bertheaus Kinder, aufgewachsen in einer schlemmerhaften Professorenfamilie, ehemals auch selbst einigermaßen gebildet, doch wird er mit der Zeit immer stumpfer. Peinlich ists, wenn er einem sein Leid klagt und helfen kann man dem armen Mann auch nicht, weil er einfach vergißt, was man ihm sagt, und die innere Unzufriedenheit sich tief in ihn eingefressen hat. Im allgemeinen, ist er aber gegen mich furchtbar liebenswürdig und nett, man geht auch ganz gern mit ihm durch die Gegend. aber κατα πνεύμα ist man hier ganz allein. Dabei genießt man Thyringen schlemmerhaft. In 6 Wochen sieht man schon allerlei; und während man sonst auf Touren so durch die Gegend braust, gewöhnt man sich hier an die Schönheit u. sieht vieles, was man sonst nicht sieht, oder als typisch übersieht. Also wunderschön| ists hier, mitten im schönsten Teil von Thyringen am Fuße des Kickelhahn. Überall Wald u. schöne Täler, Aussichten usw. Nur hätte ich gern einen l. Br. oder 2 hier, aber nur à la carte zum Aussuchen. Dann wärs noch schöner. Ich bleibe also noch 3 Wochen hier, arbeite auch ein wenig d.h. ich ärgere u. freue mich abwechselnd am Hebräerbrief, lese Damaschkes Bodenreform, W. Raabe, Hebbel. u. Windelbands Geschichten. Alle die in Halle x werden wollen, müßten die ja gelesen haben, hast Du mal gesagt. Auf der Rückreise werde ich Deinen Neid erregen: via Hersfeld, Kassel (Ritter) Neviges, Wittlage, Ubbedissen Minden (Dorf) Bremen (Branisch, Gruber) Bremervörde (v.H.) Etsch!!

Eigentlich wollte ich noch auf Deine Schrift schimpfen, aber ich muss selbst sagen: pater peccavi! Mein Typ kriegst Du, wenn ich welche habe, das dauert noch etwas. Soll Dich aber nicht hindern, mir Deine 2. Auflage zu schicken.

Mit herzlichem Gruß!
Dein treuer Gysbert

Wilm züchtet irgendwo in Mäcklenburg die dicksten Kartoffeln, wenn Du an ihn schreiben willst, schreibe über Stellingen,

Schmiedestr 1.

    Entität nicht im Datensatz vorhanden

    Personen:

    Orte:

    Literatur:

    • Bunge, Gustav von, Die Alkoholfrage. Ein Vortrag. F.C.W. Vogel, Leipzig 1887 
    • Damaschke, Adolf, Die Bodenreform. Grundsätzliches und Geschichtliches. Vorträge, Fischer, Jena, 1902.