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Tübingen, d. 5.11.07.
Neckarhalde 22.

Lieber Paul!

Endlich! Inzwischen haben wir den Rundbrief bekommen und weitergegeben. Also vielen herzl. Dank für die Typs und Deinen l. Brf.1] Bei dem Chargiertentyp bin ich freilich im unklaren, ob ich es schon bezahlt habe, ob Du es etwa in unverzeihlicher Verschwendung allen dediciert hast, ob Du es vielleicht nur mir aus bes. Zuneigung dedicierst, oder ob ich es noch bezahlen soll u. wieviel u. an wen ich dann schicken soll??? Über diese Hauptprobleme bin ich, wie über so manches völlig im Unklaren u. bitte um frndl. Auflösung in der nächsten Nummer. O, Tübingen! Diese Gegend! Diese Herbstpracht in Wald u. Feldern! Diese Berge und Thäler! Alles so wie früher! – ich da mitten drin so stumm. Doch ich will nicht wieder nach auswärts klagen, sonst bekomme ich von Alfred mit einemal die ent| spechende Antwort darauf! Sonderbarerweise kann er sich garnicht mehr vorstellen, was für Briefe er damals nach Halle geschrieben hat. Es wäre je auch schlimm, wenn der Mensch sich nicht allmählich reclimatisierte. Und das wird einem Schwaben in Schwaben eben leicht und einem Ausländer schwer. Seit heute ist die גלה eigentl aufgeflogen, denn Fritz u. Pfisterer essen nun mit dem Activen Schubert auf dem Haus. Schetelig, mit dem ich nun noch allein im Vereinshaus die Hallenser Tradition festhalte, muß nach Tisch immer 1 Stde schlafen laut ärztl Verodnung. So will ich denn mit Dir noch etw. klöhnen ehe mich d Biblia Hebraica v Kittel verschlingt, (denn umgekehrt würde d Bild nicht passen). Schlatter ist ein feiner Kerl u. seine Dogmatik ist einfach blendend. Er setzt freil. viel Philosophie voraus. Und so gingest Du besser hinein, als ich. Aber man lernt auch viel| Philosophie u. bekommt ordentl. Lust, sich dahinein z vertiefen. Im Seminar ist er menschlicher. Die Archäologie des 4. Evangeliums ist interessant aber eigentl. ganz leicht. Schls wüste Lebhaftigkeit ist bewunderungswert, sie nimmt einen aber einfach mit. Sein Gegenbild ist eigentl. Grill mit seiner sterblichen Langenweile, doch braucht er garnicht solche Folie. Häring genügt schon dazu. Er ist nicht langweilig nur überaus vorsichtig, umständl., gründl. u. liebenswürdig. Seine große Genauigkeit i. d. Exegese wird aber nicht langweilig, weil er nicht nur spricht, sondern auch etw. sagt. Man bekommt allerdings eine andere Art Auslegung des Röm. als b Schmuhl aber sie ist auch geistvoll. Wurster verschont uns noch mit seiner Weisheit. Ebenso wartet mein homiletisches Proseminar scheints noch immer auf weitere Teilnehmer; denn der "Stifts-Kuie" hat mir noch immer nicht die feierliche Anzeige des Herrn Repetenten Kiefer gebracht. So bin ich noch nicht ganz im Semester Tretrad drin. Aber es geht schon so seinen unaufhaltsamen Lauf und man wird jeden Tag 2 Tage älter, um das was man dann in| den Tagen seiner Activität versäumt hat, schleunigst nachzuholen. I der Verbindung bin ich eigentl. erst 2x gewesen. D. Antrittskneipe war noch im Felsenkeller, dann noch auf einer Inofficiellen in der Stadt. Das Haus ist ja nun fertig wie es scheint. Ich war erst einmal dort. Sonnabend ist d Einweihung, d wir mitmachen müssen. D.h. wir müssen das Bier der ll.BB. u. den Wein für d Damen bezahlen. Das wird wohl die Hauptausgabe dieses ganzen Semesters für mich werden. Eigentl. sollte man für das Geld in den Tagen eine Schweizerreise machen. D Familienabende waren typisch. Ich war bisher b Fritz in Flora. Vorgestern konnten d Leute nicht einmal "Das Fest auf Haderslevhuus" von Storm z. Ende hören. D letzten 15 Seiten las ich denn Alfred auf seiner Bude vor. – Doch, was tue ich schon wieder?! Ich darf ja nicht lästern! Selbstverständlich sind auch sehr nette Leute in der Verbindung. Überhaupt hat es allen Anschein das sie ganz "hallensisch" wird im Laufe einiger Tage. Ach, Kerl! es ist ein Jammer! Grüß den Albert v. Gröber. Ersterer vergilt Böses mit Bösem. Tu das nicht! gelt? Also schreib mal!

Dein tr. Lorenz.
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    Literatur:

    • (Original)Kittel, Rudolf, Biblia Hebraica, J.C. Hinrichs Buchhandlung in Leipzig, 1906 
    • Storm, Theodor, "Das Fest auf Haderslevhuus" Novelle, Berlin : H. Hillger,