Der editierte Text

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Verbindung Wingolf, a den 2. November 1907.

Auf Euren Brief1 vom 30.X. teilen wir Euch ff. mit:

Wir haben einen der 7 Ausgetretenen, b, bei uns aufgenommen aus folgenden Erwägungen:

1.) c verlangt von uns, von den 7 Ausgetretenen eine sachliche Entschuldigung zu fordern, d.h. nichts anderes, als bedingungslos uns auf Seiten der Erlanger Verbindung zu stellen.

2.) Nach reiflicher Überlegung sind wir zu dem Ergebnis gekommen: Wir wollen uns auf keine Seite stellen.

3.) Deshalb haben wir ds Forderung nicht erfüllt.| Begründung zu 2: Wir können uns auf keine Seite stellen, denn gegenüber dem Urteil der Erlanger Verbindung müssen wir 2 Punkte berücksichtigen:

a.) Ein Teil der Erlanger Ortsphilister, die überwältigende Majorität der Nürnberger Philister, und ein Münchener Philisterkonvent haben dafür ausgesprochen, daß die 7 Ausgetretenen in den Bruderverbindungen aktiv werden können.

b.) Die gewohnheitsmäßige Anfrage, betreffend die Aufnahme von Ausgetretenen stellt einen Selbstschutz der Verbindungen dar, durch den| schlechte Elemente fern gehalten werden. Dieser Grund fällt hier weg, da wir in e einen Menschen kennen gelernt haben, der sehr wohl in den Wingolf paßt.2

Da wir fs Forderung, uns auf seine Seite zu stellen, nicht erfüllen konnten, (S.1-3) bleiben uns 2 Wege offen:

Entweder wir fragten g, ob es unter Verzicht auf die "sachliche Entschuldigung" doch h's Aufnahme gestatten wollte, oder wir nahmen i sofort auf. Wir wählten den zweiten Weg, weil js Forderung so scharf gestellt war, daß jener Verzicht ganz ausgeschlossen war, weil also eine solche Anfrage nicht nur nichts genützt, sondern im Gegenteil den Gegensatz aufs höchste gesteigert hätte. Hätten wir auch nur die leiseste Hoffnung gehabt, daß k auch ohne eine "sachliche Entschuldigung" l's Aufnahme gestattet hätte, so hätten wir den Versuch| gemacht. "Formelle Fehler" hat m uns offiziell zugegeben, doch war n damit ja nicht im geringsten gedient.3

Das Ergebnis der obigen Aufstellung lautet also zusammengefaßt folgendermaßen: Darin, daß wir o aufgenommen haben, liegt allerdings ein Urteil gegen p, jedoch, – und darauf legen wir allen Nachdruck – nicht ein Urteil über die betreffenden inneren Verbindungsangelegenheiten – so wird q die Sache darstellen – sondern nur ein Urteil gegen rs Verfahren, den Bruderverbindungen gewissermaßen die Pistole auf die Brust zu setzen mit den Worten: Sei mein Freund, oder ich schieße Dich nieder (Abbruch des Verkehrs!) Ein solches Verfahren greift in die Freiheit der Bruderverbindungen in nicht erlaubter Weise ein, wenn es sich auch rein formal auf den bisherigen Usus berufen kann.| Aber eben auch nur rein formal, denn sachlich bedeutet jene Forderung einen Mißbrauch des bestehenden Usus, der zum Selbstschutz der Verbindung da ist (Siehe oben b); sachlich heißt es mit den Begriffen "Anstandspflicht gegenüber den Bruderverbindungen" Mißbrauch treiben, wenn man ihn dazu benutzt, von den Bruderverbindungen zu verlangen, daß sie, trotz entgegenstehender Momente, bedingungslos eine ganz einseitige und auf die Spitze getriebene Parteistellung einnehmen und damit ein Sacrificium intellectus begehen.4

Außerdem teilen wir Euch noch mit, daß s ganz gegen den sonst gehand| habten Brauch an die Erlanger und Hallenser Inaktiven nicht nur in t und u, sondern sogar in Bruderverbindungen |:v in w vielleicht auch x in y??:| die Zumutung stellte, sich entweder für das Erlangener oder das Hallenser Band zu entscheiden. Wir protestieren energisch gegen dieses Verfahren, das officiell offensichtlich dem Sinne der Bundesverfassung widerspricht.

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Lieber z,

Auf aas Anfrage um Motivierung der Aufnahme teilten wir ihm nach langem Konvent obigen Brief mit. Wir gehen vorerst nicht vor den Bund, doch wird ab. das wahrscheinlich tun. Wir haben auch nicht mit dem gleichen Schritt geantwortet.

Was meinst Du zu unserem Vorgehn?

Vielleicht kannst Du mir acs Brief an den Bund mitteilen, da wir v. seinem Inhalt keine Ahnung haben.

Sonst alles wohl. Herzl. Grüsse an Deinen lb. ad u. Deine ae, sowie an die Hallenser
In Treue u Eile Dein af.

Fußnoten, Anmerkungen

1Nicht überliefert.
2Unterhalb der Zeile befindet sich eine auf dem Brief Papier gedruckte Trennlinie.
3Unterhalb der Zeile befindet sich eine auf dem Brief Papier gedruckte Trennlinie.
4Unterhalb der Zeile befindet sich eine auf dem Brief Papier gedruckte Trennlinie.

Register

aHalle (Saale)
bLotz, Ernst
cErlangen
dErlangen
eLotz, Ernst
fErlangen
gErlangen
hLotz, Ernst
iLotz, Ernst
jErlangen
kErlangen
lLotz, Ernst
mLotz, Ernst
nErlangen
oLotz, Ernst
pErlangen
qErlangen
rErlangen
sErlangen
tHalle (Saale)
uErlangen
vTielking, ???
wGöttingen
xSchüssler, ???
yBerlin
zTillich, Paul
aaTübingen
abTübingen
acErlangen
adTillich, Johannes Oskar
aeFritz, Johanna
afBalke, Hans

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/122(40)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Halle - unbekannt
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Brief von Hans Balke an Paul Tillich vom 23. Oktober 1907
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Hans Balke an Paul Tillich vom 6. November 1907

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Hans Balke an Paul Tillich vom 2. November 1907, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00233.html, Zugriff am ????.

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