Der editierte Text

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a d. 19. VII. 05.
Mein lieber b!

Wie lieb von Dir, daß Du feurige Kohlen auf mein Haupt sammelst und mir trotz meines Schweigens wieder schreibst. Ich komme Dir einen Hochachtungsschluck (in Kaffee!) – Von Herzen freue ich mich, daß es Dir schon besser geht und ebenso herzlich wünsche ich Dir baldige, völlige Genesung!1 Wenn es Dich nicht zu sehr| anstrengt, würde ich mich sehr über einen ausführlichen Bericht von Dir u. Deinem jetzigem Leben freuen. Ich habe gehört, daß Du schon Andachten dem Druck übergeben hast. Wie gern würde ich mal eine davon haben. Du denkst vieleicht [sic!] , ich werde sie mit meinem kleinen Verstandskasten doch nicht im ganzen Wert erfassen. Nun, ich meine, da Deine Schreiften [sic!] religiösen Inhaltes sind, wird das Verständnis des Herzens da einsetzen wo| mein schwacher Geist zurückbleibt. – –

Mein c war 6 Wochen von Amts wegen in d um Vorträge über seine Schule mit anzuhören. Da fuhr e mit den drei Bubis nach einem Gut Falkenwalde bei f Jetzt ist die ganze Familie in g. Ich muß natürlich, da ich im ersten Jahr keinen Urlaub bekomme, hierbleiben. Ich esse jetzt mittags immer| mit Tante R. h zusammen. Ich sagte ihr Deine Adr. Sie wird Dir auch schreiben.2 Die Kinder sind nun schon bald 5 Wochen fort. Der Abschied ist mir sehr schwer geworden. Es ist doch drollig, daß wir Männchen beide zum Liebling haben. –

Nun bekommst Du ja sehr bald Ferien nicht? Ich freue mich schon auf das Wiedersehen. Hoffentlich hat Deine Würde als Tübinger Student Dich so gebessert, daß Du mich nicht wie sonst braun u. blau zwickst, sondern, daß man in Vernunft mal reden kann? – Lege doch, bitte, bei i ein gutes Wort für mich ein. Sie ist mir Recht [sic!] böse, weil ich vor ihrer Abreise nicht kam, obgleich ich es vorher versprochen hatte. Entschuldige, bitte, die Schmiererei, aber ich habe nicht viel Zeit u. sonst wirds wieder nichts mit ein paar Zeilen für Dich.

Mit herzlichem Gruß bin ich in alter Freundschaft u. Treue
Deine j

Es ist recht drollig, daß ich einem Studenten ein Stückchen Schokolade schicke. Aber ich weiß Du isst sie gern u. deshalb hoffe ich, daß du mich nicht zu sehr auslachst. –


Fußnoten, Anmerkungen

1Paul Tillich hatte während des Sommersemesters 1905 in Tübingen wiederholt eine Ohrenerkrankung.
2Es ist keine Korrespondenz überliefert.

Register

aBerlin
bTillich, Paul
cKandeler, Friedrich
dLeipzig
eKandeler, Martha
fRavenstein i. P.
gSwinemünde
hWiechel, ???
iFritz, Johanna
jKandeler, Marlen

Überlieferung

Signatur
Deutschland, Marburg, Philipps-Universität Marburg, Deutsches Paul-Tillich-Archiv, 008E
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Berlin - Tübingen
voriger Brief in der Korrespondenz
Undatiertes Brieffragment, vermutlich von Marlen Kandeler an Paul Tillich aus dem Jahr 1926 oder danach

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Marlen Kandeler an Paul Tillich vom 19. Juli 1905, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00078.html, Zugriff am ????.

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L00078.pdf