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den 01.01.1922

Geliebte!

Seit 2 Tagen habe ich ununterbrochen gearbeitet, um meinem Amerikaner ein Haus zu verschaffen, und es ist tatsächlich gelungen wider alles Erwarten mit einem starken Aufwand von Suggestion und anderen Energien. Nun will ich noch 2 Tage mich erholen und dann zurück, Dienstag ist Kolleg. Das Einzige, was mich beunruhigt, ist der Gedanke an Dich und das Fehlen jeder Nachricht hier. Ich sehe Dich so oft vor mir mit Deinen großen herrlichen Augen und vergehe in Sehnsucht. – Merkwürdig stark wirkt dieses Mal das Meer auf mich. Ich empfinde es wie eine große Wüste, und ich freue mich über jede Blume, die lebendig und geformt meine Seele beruhigt. Heut bin ich um den grandiosen Inselkopf gegangen; das Meer hat diesen Winter ganz besonders gewüstet und viele Abhänge heruntergestürzt. Es | ist alles so grauenhaft großartig, daß meine Nerven fast versagen. Zu sehen, wie nicht nur alles Lebendige sich wandelt, sondern auch der Erdboden langsam umgestaltet wird, ist tief bewegend. – Ich empfinde Hiddensee, als ob ich es vor 3 Wochen verlassen hätte und nun wieder zurückgekehrt. Am Strand kriegte ich unwillkürlich einen Schreck, als an der Stelle, wo meine Burg stand, alles glatt war. – Gestern dachte ich, daß in einer solchen Landschaft alle idealistische Philosophie unmöglich ist. Die Wirklichkeit ist zu groß, als daß sie in menschliche Vorstellungen aufgelöst werden kann. – Hannah wäre ich hier mit Dir: Wie würde jeder Fels und jede Welle zu uns sprechen!

Leb wohl, Geliebte!
Dein Paul.
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